Bukowski: "Irrsinn, auf Popindustrie zu verzichten"
"Ich bin nicht Keith Richards. Aber ich habe mindestens genau so viel Spaß gehabt wie er," sagte Boris Bukowski in einem KURIER-Interview. Jetzt hat der Austropopper noch etwas mit dem "Stones"-Gitarristen gemein: Er ist im Klub der 70-Jährigen. Vergangene Woche feierte er mit Musikfilmemacher Rudi Dolezal (58), der ebenfalls an einem 5. Februar geboren ist, seinen 70. Geburtstag.
Man denkt bei Bukowski zuallererst an "Kokain", nicht an die Droge, sondern an seinen Hit aus dem Jahr 1987 (siehe Interview unten). Doch bevor er als Solokünstler mit rauer, sonorer Stimme durchstartete, war der gebürtige Steirer Schlagzeuger in der Band Magic. Bekannt wurde er dann mit dem Song "Euer Fritze mit der Spritze" (1985).
Kein Limit
Derzeit feilt er an einem neuen Album, will sich dabei aber bewusst Zeit lassen. "Ich habe das Gefühl, einen ersten Riesenschwung geschafft zu haben," sagt Bukowski. Vier Songs sind einmal fertig. "Aber ich habe vor, so lange daran zu arbeiten, bis ich mir denke: Das ist es, dort will ich hin! Ich weiß, welches Gefühl ich haben muss, damit das ordentlich hinausgeblasen werden kann. Daher hab ich mir überhaupt kein zeitliches Limit gesetzt". An Sounds und Rhythmen getüftelt hat er mit Kapazundern wie Wolfgang Schlögl (I-Wolf, Sofa Surfers) und Depeche Mode-Drummer Christian Eigner.
Kopfzerbrechen mit Ö3
Beim aktuellen Interview wirkt er zufrieden. Kopfzerbrechen bereitet ihm allerdings die öffentliche Wahrnehmung seiner Musik. Bukowski hat schon verschiedene Stile ausprobiert, hauptsächlich ist er aber heute noch in den Regionalradios mit seinen populären Evergreens "Trag' meine Liebe wie einen Mantel" und "Fandango" präsent. In Ö3 sieht er aber weiterhin keine Chance, gespielt zu werden. Das Interesse an seiner aktuellen Arbeit sei "vollkommen erloschen, als der Ö3-Boykott eingesetzt hat", drückt es Bukowski drastisch aus. Er spricht von der Entscheidung des Senders in den Neunziger Jahren, fast zur Gänze auf internationalen Mainstream-Pop zu setzen.
Wenig an diesem Urteil ändert der Umstand, dass sich Ö3 im Vorjahr einer Selbstverpflichtung unterwarf, zumindest einen Anteil von 15 Prozent in Österreich produzierter Musik zu spielen. Bukowski: "Seit rund 25 Jahren gibt es eine stillschweigende Quote, dass nicht mehr als fünf Prozent Musik aus Österreich gespielt werden. Dann darf es wohl auch einmal eine Quote geben, zu der man sich bekennt." Der Musiker sieht Österreich in Europa als "absolutes Schlusslicht, wenn es um heimische Musik im Radio geht".
"Es ist natürlich OK, schwarze Zahlen zu schreiben", sagt Bukowski. "Der Ö3-Chef kriegt wahrscheinlich die Vorgabe, als Cash Cow möglichst viel Geld einzuspielen. In anderen Ländern können sie das miteinander vereinbaren, aber Ö3 will es nicht und kann es nicht".
"Warum nicht Mainstream-Pop aus Österreich?"
Anfang Jänner wurde bekannt, dass der Sender im ersten Halbjahr nach der Einführung der 15-Prozent-Quote deutliche Einbußen erlitten hat. Ö3-Chef Georg Spatt führte dies gegenüber dem KURIER auf "inhaltliche Auflagen" zurück. Bukowski dazu: "Wenn Ö3 meint, sie schreiben rote Zahlen deswegen, dann sage ich: Sie können ruhig Mainstream-Pop spielen, aber warum nicht auch aus Österreich? Mit Mainstream-Pop von Falco und Christina Stürmer ist man auch gut gefahren".
Dass es mit Bilderbuch und Wanda nun neue, junge Bands gibt, die in Österreich und im Ausland erfolgreich sind, freut den 70-Jährigen. Dennoch sieht er den Sektor Musikproduktion hierzulande vernachlässigt: "Wenn man die aktuelle Wirtschaftslage betrachtet, dann ist es ein Irrsinn, auf die gesamte Popindustrie zu verzichten. Österreich überlässt das komplett dem Ausland. Schweden oder Norwegen verdienen Milliarden mit Popmusik und in Österreich boykottiert man diese Sparte im eigenen Land".
Von Wien aus die Welt erobern
Den wichtigsten Popsender in einer angesehenen Kulturnation könne man nicht wie ein Waschmittel verkaufen, meint Bukowski. "Man müsste den Leuten mitgeben: Ihr könnt von Wien aus die Welt erobern. Aber Ö3 vermittelt die Botschaft: Zuerst muss man einmal raus aus Österreich, damit man es schaffen kann".
INFO: Aktuell ist Boris Bukowski als Gast bei Die Buben im Pelz und Schiffkowitz (STS) oder gemeinsam mit einem Gitarristen zu erleben. Dabei gibt es Songs und Anekdoten aus dem Buch "Unter bunten Hunden" (siehe Interview unten). www.bukowski.at
KURIER: "Unter bunten Hunden" ist ja keine reine Autobiografie. Wie haben Sie das Buch angelegt?
Boris Bukowski: Es ist nicht so, dass die ganze Welt auf meine Autobiografie gewartet hat. Ich bin nicht der Keith Richards. Aber ich hab mindestens so viel Spaß gehabt. Und darüber wollte ich schreiben. Es sind 51 Stories, bei weitem das meiste sind Anekdoten. Die Anekdoten sind wahr, die Fiction ist Dichtung. Wenn ich mir das alles aus den Fingern gesogen hätte, dann wäre ich wahrscheinlich Homer. Aber das bin ich leider nicht. (lacht) Ich war immer ein Verfechter des Minimalismus in meinen Texten aber auch im Schreiben, in der Prosa. Für mich ist Agatha Christie ein Beispiel für mühsame Literatur. Da liest man erst einmal 120 Seiten über die ältesten Dorfschullehrer, bevor dann alles erst rauskommt. Daher beschloss ich, mitten in die Geschichten reinzugehen.
Auch die Ausstiege sind oft recht unmittelbar: Etwa in der Geschichte, wo ein Mitschüler sie verpetzte, weil sie den Schuldirektor mit dem Götz-Zitat bedacht haben. Gab es dann Konsequenzen?
Leider schon. Meine Mutter war sowieso im Clinch mit dem Direktor, Sie war Lehrerin an derselben Schule. Und endlich hatte er was in der Hand gegen sie. Dementsprechend war sie angeschleimt. Aber da kann man nichts machen. Vielleicht dachte sie insgeheim, sie hätte das selbst gern gesagt. (lacht)
Oder die Anekdote mit dem Baby, das quakt wie ein Frosch. Wann war für Sie eigentlich klar, dass sie Sänger werden wollen?
(Lacht) Sehr spät. Ich wollte unbedingt Rockdrummer sein und hab eigentlich nie damit gerechnet, dass ich Sänger werde. Es war reiner Zufall. Fürs erste Album mit meiner Band Magic waren wir in München im Studio. Nach der zweiten Session waren eigentlich alle Playbacks fertig, aber drei Nummern nicht besungen. Wir hatten aber nur noch eine Stunde Zeit. Es wäre unmöglich gewesen, dass unser Sänger in dieser Zeit herkommt und singt. Ich sagte: Die drei Nummern sind von mir, ich kann die auswendig, also singe ich die. Danach meinte der Plattenchef: Aber da singen ja zwei unterschiedliche Leute. Wir sagten: Der eine hat das nur schnell skizziert, der andere wird das noch perfekt einsingen. Da sagte er: Aha … aber mir gefällt der Ausdruck von dem, der das nur skizziert hat, besser. Ich will, dass der das ganze Album singt.
Was hat der Kollege dazu gesagt?
Der Kollege war der einzige, der damals nicht von den Eltern gesponsert wurde. Er wollte eigentlich bei einer andere Band anheuern, die ihm ein Fixum angeboten haben. Wir wollten ihn eigentlich unbedingt halten, hatten nur keine Ahnung wie wir das bezahlen sollten. Und genau in dieser Zeit ist diese Geschichte passiert. Er hat daher das Angebot der Konkurrenzband angenommen und ich war auf einmal der Frontman.
Und wer war der Kollege?
Es war Günther Timischl von STS. (schmunzelt)
Ist es mittlerweile OK, das zu erzählen?
Inzwischen ist er so berühmt, dass man das auch erzählen kann. Es sind halt zwei unterschiedliche Paar Schuhe: Er hat eine unglaublich schöne Singstimme und ich hab eher den Sprechgesang. Aber der Plattenchef wollte halt das lieber.
Im Buch kommen auch andere Größen des Austropop vor. Gab’s da viel Konkurrenz oder kann man sich das als verschworene Gemeinschaft vorstellen?
Schon beides. Sicher war man früher vielleicht ein bisschen neidisch, wenn bei einem anderen viel mehr weitergegangen ist. Aber ich habe mir immer in Erinnerung gerufen: Mit jedem, der einen größeren Erfolg hat, wird der Status des österreichischen Musikers besser. Wir können also alle nur froh sein, wenn’s einer schafft.
Der Aufstieg von Falco …
… hat irrsinnig viel geholfen.
Wie hat man den Schub gemerkt?
Das kann man nicht so sagen oder in Zahlen messen. Aber eines war klar: Unser Image ist gestiegen, auch in Deutschland.
Haben Sie öfter mit Falco zu tun gehabt?
Ich kann nicht sagen, dass wir befreundet waren. Aber er war einmal bei einer CD-Präsentation von mir und wir haben uns sonst zufällig hin und wieder getroffen.
Und ins Schwimmbad wollte er damals nicht mitgehen?
(Bukowski lacht)
[Anm. Es geht um eine Anekdote im Buch, in der Falco, Bukowski und der Musikmanager Erwin Bach, der jetzige Ehemann von Tina Turner, gemeinsam in einem Auto saßen. Als der Vorschlag aufkam, man könne vor dem Frühstück ins Schwimmbad gehen, meinte Falco: "Mei Versace-Anzug – der schwimmt ned!"]
Wie kam man eigentlich auf die Idee, vor dem Frühstück ins Schwimmbad zu gehen? War das Schwimmen so früh oder das Frühstück so spät?
Ich hab einfach bemerkt, dass ich mich gern bewege und auch für meinen Körper was machen muss. Sonst hängst du schlapp über'n Stuhl. Damals haben sie uns noch in pipifeine Hotels eingeladen, wo es Schwimmbäder gab. Daher dachte ich, ich nütze das aus.
Und, haben Sie das Schwimmen beibehalten?
Ja, ich bewege mich immer noch gerne. Ich lebe jetzt in Stammersdorf und wann immer ich keinen Termin hab, geh ich in der Früh gleich einmal eine Stunde Radlfahren oder im Winter über die verschneiten Weinberge im Superschnellschritt. Das bringt’s.
Das Thema Drogen wird gern mit Popmusik assoziiert. "Kokain" war ihr größter Hit. Hat das auch dazu beigetragen, dass vielleicht ein falsches Image von Ihnen entstanden ist?
Erstens glaub ich, dass man sowieso gedacht hat, dass sich alle Musiker irgendetwas reinhauen. Und ich muss gestehen, als ich "Kokain" geschrieben hab', hatte ich das noch nicht probiert. Es war für mich wohl die tollste Droge, der man verfallen kann. In dem Lied geht es ja nur um die Abhängigkeit von einer Frau, wie von Kokain. Später hab' ich mir das dann natürlich hin und wieder hinein … getan. Aber ich hab halt immer wieder bemerkt: Das hält einfach nicht, was es verspricht. Und um zwei Uhr Früh sitzt man noch immer mit drei Glasln und drei brennenden Tschick in der Hand an der Bar und wartet auf die Einlösung des Versprechens. Die kommt aber nicht.
Da ist die Liebe besser?
Absolut. (Schmunzelt)
Wollten Sie also nachher überprüfen, ob der Befund aus dem Lied stimmt?
Man stellt sich halt irgendetwas darunter vor. Im Traum stellt man sich oft etwas toll vor. Zum Beispiel das Wort Samarkand, boah, das klingt toll, da muss ich hin! Und so hab ich mir wahrscheinlich unter Kokain vorgestellt, dass es das heißeste sein muss, was man sich reintun kann.
Was hat die Mutter damals eigentlich zu dem Titel gesagt?
(lacht) Na, gar nix. Im Text kommt’s ja nicht wie ein klassischer Drogensong raus ("baust mich auf und machst mich hin"). Lustig war Folgendes: Vor 25 Jahren, da war meine Mutter auch schon betagt, da hab ich mit ihr über das Thema Drogen gesprochen. Ich meinte bei einem Spaziergang, dass Marihuana oder Haschisch von der Gesellschaft verteufelt werden, während man dabei vergisst, dass es Hunderttausende Alkoholkranke und Nikotinkranke gibt, die der Volkswirtschaft Milliarden kosten. Wenn du so ein Kräutl rauchst, ist das wahrscheinlich tausendmal harmloser. Ich fand es toll, dass ich mit ihr darüber reden kann. Aber nach einer halben Stunde sagte sie dann doch zu mir: Aber gell, du machst das nicht? (lacht)
Was haben Sie geantwortet?
Ich meine, ich hab das eh ganz selten gemacht. Aber ich hab gesehen, es lohnt sich einfach nicht, das jetzt zuzugeben.
Musikbusiness in Österreich
Sie haben erwähnt, dass die Entscheidung von Ö3, weniger auf österreichische Künstler zu setzen, eine Wende für Sie darstellte.
"Weniger" ist gut! (lacht) Davor war die Quote rund 26 Prozent, derzeit sind es nur ungefähr 6 Prozent [Interview aus dem Jahr 2013, Anm]. Man kann sagen: Rein vom wirtschaftlichen her ist das Business in Österreich ausgelöscht. Wenn man auf FM4 rauf und runter gespielt wird, kann man, wenn’s im Ausland nicht angenommen wird, und wenn man alles zu Hause programmiert, mit den Produktionskosten gerade durchkommen. Aber ich zum Beispiel brauche richtige Instrumente, Musiker und gute Studios. Da könnte man über FM4 nicht einmal seine Produktionskosten einspielen. Auch auf den anderen Sendern ist es so: Meine alten Sachen werden brav auf Regional gespielt, aber alles, was ich in den letzten 15 Jahren gemacht hab, hat eigentlich kein Forum. Beim neuen Album, an dem ich arbeite, ist klipp und klar: Ich müsste es in Deutschland schaffen. In Österreich geht es ohne Ö3 ganz sicher nicht.
Ö3 traut sich also zu wenig?
All die tollen Musiker, die es auf FM4 gibt, auf der Alternativschiene, können nie auf ein größeres Forum kommen, weil Ö3 immer sagt: Das ist ein FM4-Künstler und dort soll er auch bleiben. Dabei hätten es einige verdient, einer breiteren Hörerschaft vorgestellt zu werden. Was ich noch so durchhöre: Die internationalen Stars kommen schon als Nummer 1 von Amerika in Österreich an, und werden dann sowieso gespielt, weil man da nichts falsch machen kann. Bei österreichischen Musikern war immer das Problem: Wenn die ein bisschen kühn sind, heißt es bei Ö3: Das haben wir bis jetzt nicht gespielt, das geht nicht. Und wenn sie so sind wie das, was schon gespielt worden ist, sagen sie: Das haben wir eh schon. Man hat also null Chance, da irgendwie unterzukommen. Bei Stars ist es natürlich anders. Madonna hat in den letzten Jahren bei jedem neuen Album eine andere Schattierung hingelegt. Bei ihr geht das, aber bei Österreichern geht das nicht.
Vor Kurzem waren Sie bei "Willkommen Österreich" zu Gast und haben Sie das Lied "Hör!" gesungen …
Das Lied stammt noch vom 99er Album "6" – keine einzige Nummer von dem Album wurde von Ö3 jemals gespielt. Es gab ja die Ö3-Aktion "Die neuen Österreicher", das wurde auch plakatiert. Ich habe kein Wort geglaubt. Ich glaube nicht, dass Ö3 jetzt plötzlich die "neuen Österreicher" erfinden will. Sie fürchten eher, den Nimbus abzubekommen, jener Sender zu sein, der österreichische Popmusik boykottiert. Daher möchten sie wohl ein bisschen dagegen arbeiten.
Zum Beispiel "Hör!" Finden Sie nicht, dass das für Ö3 auch ein bisschen zu schwer ist, nicht breit genug?
Es waren auch andere Nummern auf dem Album und die waren nicht zu schwer. Außerdem denk ich: Ich war damals österreichweit bekannt. Und ein zeitgenössischer Popsender muss mehr sein als eine Abspielstation internationaler Musikmultis. Der muss mit den Musikern des Landes die zeitgenössische Popmusik mittragen, erweitern, ein Forum bieten, und abbilden, was dort passiert. Wie auch eine Zeitung abbildet, was zum Beispiel im Sport passiert. Die kann auch nicht sagen: Rapid ist uns zu schlecht, über das können wir leider nicht mehr schreiben. Wir schreiben lieber über Real Madrid. (lacht)
Gibt es keine Ausnahmen?
Ich sage immer: Alle, die heute in Österreich noch bekannt sind, sind vor mindestens 20 Jahren bekannt geworden. Die einzige Ausnahme ist Christina Stürmer, aber die hat es auch nicht über Ö3 geschafft, sondern über eine Castingshow mit viel Fernsehpräsenz. Es ist die Frage, warum seit 20 Jahren keiner mehr aufgestiegen ist außer einer. In Europa gibt es kein Land, in dem das Heimische weniger gespielt wird als in Österreich. Weltweit gibt es glaub ich drei. Jetzt könnte man sagen: Sind wir Österreicher die größten Deppen unter den Musikern Europas, haben die Österreicher Schweinsohren oder bekommen die Musiker einfach kein Forum? Ich behaupte, es ist Letzteres. Es gibt immer wieder genug tolle Musiker, heute genauso wie vorgestern.
Man hat das Gefühl, die Produktion der Alben ist teilweise einfacher geworden …
Nicht für alles, für elektronische Musik schon …
Aber ist es nicht über manche Kanäle wie Youtube einfacher geworden, zumindest einmal bekannt zu werden?
Ich glaub' das überhaupt nicht. Das sind immer wieder ein paar Zufälle. Das Internet sehe ich überhaupt als eine Art Auslage, in der, sagen wir, 30.000 CDs stehen. Wie soll man dort gefunden werden? Es heißt auch, die Künstler brauchen die Plattenfirmen nicht mehr, stellen das einfach ins Internet, werden bekannt und live können sie immer noch viel Geld verdienen. Vollkommener Unsinn! Wenn du nicht bekannt bist, kannst du zehn Auftritte machen, aber es kommt keine Sau hin. Und um im Internet bekannt zu werden, brauchst du genauso viel Geld für Marketing und Promotion wie früher, um in einem anderen Schaufenster zu stehen.
Wie schaut’s mit Liveauftritten aus?
Ich spiele mit einer wahnsinnig tollne Band zusammen, aber nur alle zwei Monate einen Gig. Jetzt trete ich auch mit einem Gitarristen auf, bringe Erzählungen aus dem Buch. [Termine auf: www.bukowski.at, Anm.]
Hätten Sie gerne einmal Ihren Namensvetter Charles Bukowski getroffen?
Ja, sehr gern! Ich habe alles gelesen, was er je geschrieben hat. Und ich liebe ihn, nicht so sehr wegen seiner deftigen Ausdrucksweise, das Stigma des Fäkalpoeten finde ich unangebracht, sondern ich finde ihn wirklich poetisch. Dass man in so einer Umgebung, in der er gelebt hat, so viel Humor aufbringen kann, finde ich zum Niederknien. Das ist ganz großartig. Es gab einmal einen ORF-Redakteur, der wollte ein Treffen zwischen uns beiden arrangieren und zwei Fernsehporträts erstellen. Das war aber schon zwei Jahre vor seinem Tod, da war er schon zu schwach und zu alt.
In einer Erzählung in "Unter bunten Hunden" geht’s darum: Methoden, um eine Telefonzelle zu überlisten.
Das hab ich ein bisschen aufgebauscht, ich kannte nur diese beiden Schmähs und habe so getan, als ob es alle zwei Monate einen neuen Schmäh geben würde. (lacht)
Schauspielerei mit Peter Patzak
Es gibt noch eine unbekanntere Facette, als Schauspieler, zum Beispiel eine Doppelrolle als Reiter und Pferd gleichzeitig …
Ja, Ich war Statist am Grazer Schauspielhaus und war sehr verblüfft, dass ich gleich im ersten Stück die Hauptrolle bekommen hab. Das Stück hieß "Die Reiter" von Aristophanes und ich war einer von zwanzig Reitern. Wir wurden in einen Jutesack gesteckt, hatten einen langen Stab in der linken Hand und mussten Reiter und Pferd in einem mimen, also eine Doppelrolle.
Was war schwieriger: Das Pferd oder den Reiter zu spielen?
Ich musste sogar ein Solo machen. Den Stab so zwischen den Beinen. Aber die Scheißjute hat so gejuckt, dass es nicht zum Aushalten war.
Sie hatten auch Filmdrehs mit Peter Patzak, mit Wutausbrüchen und Problemen mit der Polizei …
Er war natürlich ein begnadetes PR-Talent. Wir sind von einem Dreh zum Film "Waikiki" nach Hause gefahren, in der Kolonne war unter anderem der Straßenkreuzer, den wir im Film verwendet haben und hinter dem der Pickup mit der Kamera auf der Ladefläche. Dann wurden wir von einer Polizeistreife angehalten, und der Polizist fragte, ob der alte Chevrolet noch verkehrstauglich ist, das wollen sie jetzt mal sehen. Patzak hat blitzartig die Chance erkannt, das für eine PR-Aktion zu nützen. Er hat ein Riesen-Tam-Tam gemacht, die Kieberer provoziert, sodass die noch ein Schäuferl drauf gelegt haben und hat dann wutentbrannt einen Abgang geschauspielert. Als wir dann am Abend beim Essen gesessen sind, hat er triumphierend die Abendausgaben von Krone, KURIER und Täglich Alles herumgeschwenkt, wo Berichte "Polizisten behindern Filmdreh" ganzseitig abgedruckt waren.
Hätten Sie gerne noch mehr in diese Richtung gemacht?
Ja, aber es ist nichts dahergekommen, das mich interessiert hätte.Und in den letzten Jahren kommt eigentlich gar nichts, außer: Ein Grazer Filmteam macht eine Kinodoku über die Anfänge der steirischen Rockmusik und da bin ich als Hauptfigur dabei. [Der Film "Fritze mit der Spritze" von Markus Mörth, Anm.]
Einige dieser Heros kamen damals aus der Steiermark, Fürstenfeld dürfte ein besonderes Epizentrum sein.
Ja, da ist relativ früh eine kleine Rock-Community entstanden.
Wie kann man das erklären?
Ich hab keine Ahnung. So wie beispielsweise in Graz oder in Linz, das war auch ein irrsinniges Epizentrum, gab es keine vergleichbaren Beispiele in anderen Bundesländern, die da herankommen. Von der Hauptstadt sind wir lange nicht beachtet worden. Die dachten, in Wien gibt es eh genug, übern Semmering zu schauen zahlt sich eh nicht aus. Aber irgendwann konnte man das nicht mehr übersehen und dann ist das wie ein Schwall über den Semmering hereingebrochen.
War das vielleicht ein sich-Reiben an der Bundeshauptstadt, zu zeigen, wir haben auch was drauf?
Eigentlich haben wir das gar nicht gemacht. Es waren dann so viele, und deswegen hat man dem doch Beachtung geschenkt.
Wie kam es dazu, dass sie nach Wien gegangen sind?
Ich bin ja in Ilz in der Oststeiermark aufgewachsen, ging in Fürstenfeld ins Gymnasium, hab begonnen zu drummen, Studium in Graz, nach dem Studium habe ich in Graz ein Tonstudio aufgemacht. Aber ich habe gesehen, wir sind halt so weit weg von allen Medien, Radios, eigentlich müsste man nach Wien. Erstes Soloalbum noch in Graz, oho, Aufmerksamkeit aus Wien, daher dann nach Wien.
War das Jus-Studium in irgendeiner Form wichtig für die Karriere?
Sicher, man kann einen Vertrag sofort lesen, aber dafür allein hätte sich das Studium nicht ausgezahlt (lacht). Aber ich bereue immer nur das, was ich nicht gemacht habe, und nicht das, was ich gemacht habe.
Was war der eigentliche Berufswunsch?
Ich wollte immer schon Musiker werden. Das Studium hab ich nur zur Beruhigung meiner Eltern gemacht, um mir den Rücken als Rockdrummer frei zu halten.
Gibt es trotzdem Dinge, wo Sie sagen: Die hätte ich lieber nicht gemacht?
Musikalisch bin ich mit vielem nicht zufrieden, selbstverständlich, Wenn man so lange im Musikbusiness ist, weiß man, Popmusik hat eine ganz kurze Halbwertszeit, und was manchmal besonders im Trend gelegen ist, ist übermorgen gleich ganz weit weg vom Zeitgeschmack. Es gibt Nummern von früher, mit denen ich mir manchmal ein bisschen schwer tue, die eliminiere ich natürlich aus dem Programm. Aber dann gibt es gottseidank Sachen wie "Kokain". Das ist zwar 36 Jahre alt, aber für mich nicht alt geworden.
Und "Fandango"?
Da tue ich mir ein bisschen schwerer damit. (schmunzelt) Aber ich spiele es noch live, weil es eine der gefragtesten Nummern ist, wahrscheinlich die am Zweitmeisten gespielte von mir überhaupt nach "Trag meine Liebe wie einen Mantel". "Fandango" spielen wir betont fetzig mit modernen Sounds. Und ich kann mit Mimik und Gestik zeigen, worum es mir dabei geht. Sozusagen, das Synonym für südländisches Lebensgefühl: Entweder ganz oder gar nicht.
Und "Trag meine Liebe ..." geht auch noch?
"Trag meine Liebe ..." haben wir lange probiert, und ich dachte: Das ist nicht in die heutige Zeit zu retten, jetzt haben wir es aber sehr gut geschafft, und mein Gitarrist hat auch ein entzückendes Solo entwickelt, das schwer grungy und sehr zeitnah ist. Das traue ich mich jetzt locker spielen. Es wird in den Regionalradios in der Originalversion rauf und runter gespielt, klar. Das hat immer noch rund tausend Einsätze im Jahr.
Wenn man etwa an die Anekdote aus dem Buch mit der Essensschlacht auf Tour mit Suzi Quatro denkt. Waren es damals goldene Zeiten? Ist heute alles nüchterner geworden?
Sicher ist es nüchterner und professioneller geworden. Heute ist die Frage, ob eine Plattenfirma jemanden signt, der es sich zu sehr besorgt, weil der dann vielleicht in der Mühle oder in der Reha landet. Und dann ist es vorbei. Aber es kommt darauf an, wie gut er ist. Wenn er sehr gut ist, dann vielleicht doch.
Gibt’s Leute, die herausstechen aus dem Formatradiobrei?
In den 60ern und 70ern gab es noch nicht dieses Quotendenken. Da hat jeder Redakteur noch das spielen dürfen, von dem er überzeugt war. Und wie man sieht, waren die Charts damals voll von Kultmusik. Heute ist das natürlich vollkommen anders. Die Charts sind voll von Retorten-Hits und gecasteten Musikern, es geht in erster Linie nach Quote. Aber natürlich ist auch da hin und wieder was wirklich Gutes dabei. Wenn ich den Mainstream-Pop anschaue, stechen immer wieder Sachen hervor, wo man sagt: Oho! Ich liebe zum Beispiel das Arrangement von „Rolling In The Deep“ von Adele. Das ist nämlich so minimalistisch und trotzdem so interessant und geil.
Sind am neuen Album auch Duette geplant?
Ich bin nicht der mit der schönen Stimme, wo sich das anbietet. Wenn zwei gegeneinander reden, ist das vielleicht nicht so heiß. (lacht)
Gibt es auch den Wunsch zur Zusammenarbeit mit bestimmten Künstlern?
Klar. Eine Zeit lang hab ich mit Weltklassemusikern arbeiten können, wenn das Budget gepasst hat, z.B. mit Tony Levin von der Peter Gabriel Band, der den "Sledgehammer"-Bass eingespielt hat. Das war toll, das hat’s wirklich gebracht, dann der Londoner Weltklassebassist Pino Palladino. Vergangenes Jahr war ich in St. Pölten bei einem Open Air von The Who. Ich war total verblüfft, dass da zwei Musiker mitgespielt haben, die auf meinen Alben drauf sind, Palladino und Curt Cress.
Meistens bleiben bei jedem Popmusiker drei, vier Nummern im Gedächtnis. Aber hätten Sie manchmal den Wunsch, dass das Gesamtwerk wieder mehr ins Bewusstsein rückt?
Ich bin schon zufrieden. Ich würde mir nur wünschen, dass ich für meine aktuellen Sachen ein Forum bekomme. Nur momentan sieht es in Österreich so aus: Ich würde am besten zu Ö3 passen, aber ich weiß: Dort werde ich nicht gespielt. Das heißt, ich werde versuchen, dass ich mit meinem neuen Album in Deutschland ein Forum bekomme. Es ist natürlich schwer, weil im großen Deutschland gibt es zehn Mal so viele gute Musiker.
(Interview vom Oktober 2013)
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