Bob Geldof: "Wir sind zurück in der Primitivität"

Bob Geldof: "Wir sind zurück in der Primitivität"
Der Musiker spricht über das Comeback seiner Band Boomtown Rats und erzählt, wie ihn Trump und Putin dazu motiviert haben

1984 erschien das letzte Album der Boomtown Rats, der Band von Live-Aid-Initiator Bob Geldof. Danach war der Autor von Hits wie „I Don’t Like Mondays“ und „Rat Trap“ als Solo-Künstler unterwegs und widmete sich als politischer Aktivist dem Thema Afrika. Jetzt hat der 68-jährige Ire die Band wiederbelebt und veröffentlicht kommenden Freitag das Album „Citizens Of Boomtown“.


Bob Geldof: "Wir sind zurück in der Primitivität"

KURIER: Herr Geldof, warum kamen Sie gerade jetzt wieder auf die Band zurück?

Bob Geldof: Wir hatten 1975 angefangen, als keiner von uns eine Zukunft hatte. In Irland gab es damals Bürgerkrieg, 3600 Menschen sind ermordet worden, es gab einen korrupten Staat und eine korrupte Kirche. Für uns war die Band zunächst etwas, was wir tun konnten. Dann las ich Woody Guthrie, einen der großen musikalischen Aktivisten der 20er- und 30er-Jahre, fand dort den Namen Boomtown Rats und verstand, dass wir eine Band mit Absichten sein konnten, über Korruption, die Bandenkriege und alles andere in unseren Songs reden und dabei die Welt vielleicht auch ein bisschen verändern konnten. Nach zehn Jahren gab es aber neue Bands und neue Themen. Aber als mich 2013 Garry und Simon fragten, ob wir das „Isle Of Wight“-Festival spielen könnten, entdeckte ich, dass Bobby Boomtown zurück ist.


Bob Geldof: "Wir sind zurück in der Primitivität"

Wer ist Bobby Boomtown?

Das ist der, der sich nichts pfeift. Solo-Bob ist der Verinnerlichte, der auf der Bühne Spaß hat. Bobby Boomtown ist der, der alles sagen und tun kann, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Ich habe das auch erst da verstanden. Um zu schauen, ob wir für das Festival zusammenkommen, haben wir uns in meinem Wohnzimmer zusammen gesetzt und die alten Songs gespielt. Denn ich habe „Looking After Number One“ in Dublin geschrieben, als ich beim Arbeitsamt in der Schlange stand. Ich habe „Rat Trap“ geschrieben, als ich auf einem Schlachthof gearbeitet habe. Aber als ich sie wieder gesungen habe, habe ich sie für all die Kids gesungen, die heute in schauerlichen Jobs arbeiten, oder gar keine haben. Und ich habe „I Don’t Like Mondays“ nicht für den Amoklauf von Brenda Spencer von 1979 gesungen sondern für den der vergangenen Woche. Das war relevant und deshalb unglaublich aufregend und befreiend. Also schrieb ich den Song „Boomtown Rats“, wo ich sage, dass ich dahin zurückgehe. Der Rest des Albums kam dann wie von alleine. Und der Grund für all das war, dass die Welt wieder zusammen gebrochen war.

 

Warum sind die neuen Songs dann eher soziale Kommentare als politisch?

Auch die früheren Songs der Boomtown Rats waren nicht ausdrücklich politisch. Und ich finde auch nicht, dass das ein Mehrwert wäre, denn Politik ist so offensichtlich. Das ist doch alles ein Cartoon. Trump ist ein Narr. Putin ist wie die Karikatur eines Mafiagangsters. Erdogan ist ein Demagoge. Da singe ich wie in „Trash Glam, Baby“ lieber über eine 16-Jährige, die ich in einem Shop beobachtet habe, und über ihre Welt.


Stimmt Sie das politische Szenario von heute traurig?

Nein, es macht mich energiegeladen und wieder fokussiert. Ich habe Rock-Musik immer als Form von politischem Aktivismus gesehen. Aber nach dem Ende der Boomtown Rats lebten wir ja für einige Zeit in einer Welt von Konsens, Zusammenarbeit und Kooperation. Wie sonst hätten sich bei „Live 8“ die acht Chefs der reichsten Staaten der Welt darauf einigen können, den ärmsten Ländern der Welt 50 Milliarden US-Dollar jedes Jahr zu geben, um Armut auszurotten? Und das auf Grund einer Agenda, die wir Rockmusiker geschrieben haben. Aber in exakt derselben Woche hat dieses neue Phänomen namens Terror 56 Leute in den Londoner Bussen und in der U-Bahn umgebracht. Das war 2005 und das Ende von Kompromiss und Konsens. Drei Jahre später dann der Wirtschaftszusammenbruch, und wir gehen zurück in die Primitivität, die wir heute haben. Aber ich sehe das auch an meinen Kindern: Sie sind durch die Klimakrise und durch den Brexit aufgewacht. Sie haben erkannt, dass das ihre Welt und ihr Leben ist, aber auch, dass die Welt nicht unveränderlich ist. Sie werden aktiv.

 

Bob Geldof: "Wir sind zurück in der Primitivität"

Woher kommt ihr Hang zum politischen Aktivismus?

Ich glaube, das liegt daran, dass meine Mutter gestorben ist, als ich sieben Jahre alt war. Der Job meines Vaters war, durch das Land zu fahren und Handtücher zu verkaufen. Er ging Montag früh aus dem Haus und kam Freitag wieder zurück. Es gab kein Geld, das Haus war eiskalt und meine beiden Schwestern und ich mussten uns selbst aufziehen. Ich habe keine Schulaufgaben gemacht, weil es keine Eltern gab, die dahinter gewesen wären. Aber ich habe die Bücher aus der Bibliothek gelesen und auf Radio Luxemburg Rockmusik gehört. All meine Information kam von den Rolling Stones, den Kinks, Bob Marley, The Who und den Beatles. Sie offerierten mir Freude und Optimismus und lehrten mich, dass man sich Autoritäten nicht beugen muss. Bob Dylan hat dann die Regeln dazu geschrieben, als er sagte: „Geh aus dem Weg, wenn du nichts ändern willst, denn wir kommen!“ Lange vor Live-Aid habe ich im Trafalgar Square für Green Peace gesprochen. Mit 13 habe ich in meiner Schule eine Anti-Apartheid-Kampagne gestartet. Und vor den Boomtown Rats habe ich in Dublin Nächte lang mit Obdachlosen gearbeitet.


Haben Sie es je bereut, Live-Aid gemacht zu haben?

Schwer zu sagen. Auf privater Ebene hat es mich tatsächlich sehr viel gekostet, aber es hat auch viel bewirkt. Hält sich das die Waage? Ich weiß es nicht! Aber das ist auch nicht der Punkt. Der Punkt ist: Ich habe es gemacht – mit dem einzigen Mittel, das ich kannte, nämlich der Rockmusik.

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