Blick zurück auf 28 Jahre Intim-Beziehung

Blick zurück auf 28 Jahre Intim-Beziehung
Kritik: Herbert Grönemeyer blickte in Wien auf seine musikalische Karriere zurück. Das Publikum lag ihm zu Füßen.

Herbert is’ leiwand!" Das war die Reaktion, als Herbert Grönemeyer vor 28 Jahren zum ersten Mal in Wien auftrat. Freitagabend bei seinem Auftritt im kleinen Rahmen des Wiener Konzerthauses erinnerte sich der 56-Jährige daran. Schließlich war der ein Dankeschön an die Hardcore-Fans – mit einer Setlist fernab der Stadion-Rocker-Hits, basierend auf einem Internet-Voting.

"Blick zurück – 30 Jahre: Halbzeit" hat Grönemeyer sie getauft – und blickte zurück: "Dieses erste Wien-Konzert war im Metropol", erzählte er. "Keiner hat geklatscht. Da war ich schon sauer. Und als der Typ sagte ,Herbert is’ leiwand", dachte ich, das heißt langweilig. Das hat meine Laune nicht gebessert. Aber dann hat mich jemand aufgeklärt, dass das die größte Adels-Auszeichnung ist, die man hier bekommen kann. Hätte ich das missverstanden, wäre unsere Beziehung nie so intim geworden."

Wie innig das Verhältnis Gröni/Ösis ist, zeigte sich im Konzerthaus sehr schnell. Von Beginn an wurde er gefeiert – obwohl der Sound bei den ersten Songs noch ungeschliffen brummte. Obwohl er bei dem No-Hits-Programm auch ein paar Songs – wie etwa "Fisch im Netz" – spielte, die zu Recht nie Favoriten waren. Und obwohl der Typ da auf der Bühne – wenn man sich die Bühne wegdenkt – der Aktenschupfer-Abteilung des Finanz-Ministeriums entsprungen sein könnte: Das Bäuchlein versteckt er ...

Zappeln

Stopp! Denn der Typ steht ja auf der Bühne. Und eigentlich ist es genau diese Anti-Star-Aura, die Grönemeyer ausmacht: Das Bäuchlein, das er hinter einem schwarzen Sakko versteckt. Die biedere, sich zurückziehende Frisur über den bauschigen Wangen. Das linkische Zappeln, wenn er "tanzt". Grönemeyer weiß, wie das wirken muss. Und nimmt sich mit koketten Hüftschwüngen und ironischen Bemerkungen selbst auf die Schaufel, zelebriert sich und seine Authentizität. In den Songs noch weit mehr als in der Bühnenpräsenz. Das wird sogar beim Spezial-Programm im Konzerthaus deutlich. Grönemeyer gräbt vergessene Zuckerln wie das bluesige "Komet" aus, streut "Diamant" ein, weil das "so schön doof" ist. Und klingt mit all dem nach wie vor so ambitioniert, als wären er und seine Band hungrige Newcomer.

Natürlich hat er auch ein paar sehr bekannte Songs parat: "Deine Liebe klebt", "Ich hab dich lieb", das er ohnehin nur in Österreich spielt, und "Kinder an die Macht". "Die Welt gehört in Kinderhände" brüllen die Fans genauso leidenschaftlich wie Grönemeyer. Der bedankt sich mit unzähligen Zugaben, setzt ganz bewusst "Heimat" an den Schluss. Und die Wiener stellen einmal mehr fest: "Herbert is’ leiwand!"

KURIER-Wertung: **** von *****

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