Sie beginnt mit dem Song „The Gate“. Nur ein paar schwebende Keyboardtöne und das isländische Flöten-Septett Viibra begleiten die markante Stimme von Björk, während abstrakte Farbschleier in Pastellfarben über die ganze Bühne und weit darüber hinaus in die Seitenflügel hinein tanzen.
Die Illusion, dass die 57-jährige Isländerin und ihre Musiker - darunter der österreichische Perkussionist und Hang-Spieler Manu Delago - in einer Fantasie-Welt schweben, wird durch mehrere Schichten von Schnur-Vorhängen perfekt gemacht. Die Videos, die darauf promeniert werden, leuchten durch die Überlagerung der Vorhang-Schichten in unterschiedlicher Intensität, wobei die Bühne dahinter sichtbar bleibt und die Szenerie unglaublich plastisch wirkt.
Schon beim zweiten Song „Utopia“, wo zum Flötenseptett eine Harfenistin dazukommt, gehen die Videos auf das Thema Umwelt über, zeigen fantastische Blüten, die sich bewegen als würden sie im Wasser schwimmen.
Konzipiert hat Björk diese Show rund um ihre jüngsten Alben „Utopia“ und „Fossora“, deren Songs deshalb einen Großteil des Programms bilden. Dazwischen eingestreut sind aber auch die Hits „Venus As A Boy“ und „Isobel“, die hier in der Stadthalle in packenden neuen Arrangements erklingen, die diesem Ensemble angepasst sind.
Überhaupt ist die Bandbreite der Stimmungen, die Björk mit diesen Musikern auf die Bühne bringt enorm. Sie reicht von zart und liebevoll über fordernd und verzweifelt bis wütend und tosend. Bandleader Bergur Porrisson spielt neben den Keyboards und elektronischen, teilweise für diese Show erfundenen Instrumenten auch Posaune und Bassklarinette, während die Flötistinnen von Viibra auch singen. „Show Me Forgivness“ singt Björk a-capella in einer Echo-Kammer, die wie ein Iglu am Rande der Bühne steht. Und Delago spielt einmal sogar das Wasser, schaufelt rhythmisch mit einer Holzschale Wasser aus einem Plexiglasbecken und lässt es vor einem Mikro wieder zurückrinnen.
Björk entführt mit der „Cornucopia“-Show nämlich nicht nur in die Welt fantastischer, lebhaft wachsender, blühender und tanzender Pflanzen, sondern auch in die Welt der Meere. Und wie bei den Flora-Darstellungen verschwimmen auch hier die Grenzen zwischen realen Wesen und fantastischen Kreaturen.
Zwischendurch bei Songs wie „Victimhood“ oder „Sue Me“ wird die Musik dämonisch und wild, die Kreaturen in den Videos zu Bestien, bevor zu einem Flötenstück und den Klängen des Waldes Björks geschriebenes Manifest zum Thema Umweltzerstörung auf den Schnurvorhängen zu lesen ist. Fazit: „Wir werden nicht überleben, wenn wir diese Herausforderung nicht meistern.“
Noch klarer formuliert es Greta Thunberg, die vor den Zugaben in einer Videoeinspielung zu Wort kommt: „Wir sind dabei, unsere Zivilisation dafür zu opfern, dass eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin die Möglichkeit hat, unglaubliche Mengen an Geld zu machen.“
Das ist wie ein Schlag, holt einen sofort auf den Boden der Realität zurück, nachdem man während der Show so schön weit weg in eine Wunderwelt aus einzigartigen Sounds und märchenhafter Natur gesogen wurde.
Aber ein paar Songs gibt es noch, ein wenig kann man noch weiterträumen. Ohne weiteren Kommentar zum Thema Umwelt endet Björk die Show nach der der Vorstellung der Musiker dann mit „Notget“, einem traurigen Song über eine zerbrochene Liebe.
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