"Bin gesund und guter Dinge"

"Bin gesund und guter Dinge"
Der Spross aus altem Adel ist ein begabter Lese-Verführer. Bei den verwendeten Requisiten ist er maßlos.

Die ersten Sätze sind wichtig, in der Liebe und in der Literatur, und in „Bin gesund und guter Dinge“ wurde Test Nr. eins im Fach Verführungskünste bravourös gemeistert. „Die letzten Worte, die mein Großvater sagte, bevor er vorübergehend aufhörte in sinnvollen Sätzen zu sprechen, waren: ,Ihr alle verdankt eure Existenz diesem Plastikbein.‘“ Er schnallte die Prothese ab und hielt sie wie eine Trophäe in die Luft.

Jetzt könnt’ man den 92-Jährigen fragen, wie er das meint. Aber was passiert dann auf 282 Romanseiten? Außerdem wurde anfangs schon verraten: Großvater ist, scheinbar, dement und zitiert „Faust“ anstatt zu antworten. Und sein Enkelkind, der 32-jährige Erzähler dieser Geschichte, der würde die Antwort ohnehin nicht hören. Weil er in entscheidenden Momenten immer so starken Harndrang verspürt und verschwindet. Darüber hinaus liegt er, nach zweimonatigem Entzug, meist unter dem Bett: auf der Suche nach einem früher einmal versteckten Sackerl Heroin. Test Nr. zwei bestanden.

Dem fabulierlustigen Philipp Traun, Spross der tausendjährigen Familie Abensperg und Traun, kann man folgen. Er nimmt uns bis zu Getto nach Warschau mit und in die Ukraine. Denn der Erzähler packt seinen Großvater samt Pflegerin kurzerhand ins Auto und sucht dort – was eigentlich?

"Bin gesund und guter Dinge"
PhilippTraun: „Bin gesund und guter Dinge“ Amalthea Verlag. 300 Seiten. 22,95 Euro.

Der Autostopper

Er hat einige Fragen. Z.B., ob seine Eltern wirklich bei einem Flugzeugabsturz gestorben sind, als er zehn war. Z.B., ob Großvater ein kleiner oder großer Nazi war. Er hat nämlich ein Foto gefunden: Großvater mit Hitler in Polen. Ein Wüstensperling reist auch mit. Einfach so. Meist sitzt er in der Manteltasche. Man darf nicht vergessen, ihn zu füttern. Zwirn und Nadel spielen Hauptrollen. Und Kuckucksuhren. Die sind Symbol für jene Zeit, über die nichts bekannt ist.

... und, schau dir was an, an der Straße steht Auto stoppend der Filmregisseur Peter Kern. Er sucht schwule Kinder aus der Besatzungszeit. Den nehmen wir gern mit. Der ist klug und witzig. Da ist etwas los im zweiten Roman des begabten 36-jährigen Autors.

Philipp Traun, der wie seine Protagonisten in einem Schloss lebte (Petronell), hat schnell gelernt, wie man Haken legt. Jetzt wär’s schön, wenn er zur Ruhe kommt. Wenn er die Requisiten wegwirft. Wenn er nur über einen ... sagen wir: Stein schreibt. Soll sein, einen nassen Stein, damit es ein bisschen Action gibt. Mehr aber nicht. Mehr hatten wir jetzt mehr als genug.

KURIER-Wertung: **** von *****

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