"Bin allergisch gegen Verharmlosung"

"2051: Smart Life in the City": Die Ausstellung im MAK wirft einen Blick in die alternative Zukunft des Stadtalltags und untersucht die Rolle von Design als Werkzeug für einen weltverträglichen Lebensstil
MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein will ein ruppiges Thema bewusst machen.

Worum es bei einer Film-Biennale oder einer Kunstbiennale geht, braucht man nicht groß zu erklären. Bei der "Vienna Biennale", die derzeit erstmals stattfindet, aber geht es nicht um Wien – sondern um die "großen Fragen der Zukunft". Und diese werden mithilfe von Design, Architektur und Kunst hinterfragt. Das muss man erklären: MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein über die Anliegen der Biennale, die Rolle der Kunst und Kritik an den Ausstellungen.

KURIER: Es ist Halbzeit bei der Vienna Biennale. Was hat geklappt, was weniger?

Christoph Thun-Hohenstein: Es ist eine sehr ehrliche Biennale. Wir haben in zwei Sparten – Design und Architektur – ein völlig neues Rollenverständnis gezeigt, denn es geht um mehr als große Bauten und schöne Möbel. Es geht um wichtige gesellschaftliche Fragen. Das ist viel, auch, weil ein solches Verständnis umstritten ist. Von hier aus muss es Schritt für Schritt gelingen, die Biennale weiterzuentwickeln.

"Bin allergisch gegen Verharmlosung"
Thun-Hohenstein
Und in der dritten Sparte, der Kunst?

Hier war die Fragestellung von Anfang an: Wie kann man in einer zu zwei Dritteln angewandten Biennale die Kunst anders präsentieren, nämlich nicht so, als würde sie auch verzweifelt auf "angewandt" spielen? Wir wollten nicht, wie in Venedig, die großen Probleme der Welt von Kunst kritisieren lassen. Sondern: Auf welchen Ebenen oder Metaebenen kann die Kunst etwas beitragen, das von den anderen Sparten nicht transportiert werden kann? Was kann man etwa, wie im Fall des Bukarest-Projekts, aus der Beschäftigung von Kunst mit Diktatur, an Erkenntnissen für die Zukunft gewinnen?

Die Biennale stellt ein neues Verständnis von Architektur und Design vor und beschäftigt sich mit Fragen der Digitalen Moderne. Klingt nach hohen Hürden für die Besucher.

Das verlangt von den Besuchern, von den Künstlern und den Kuratoren immer wieder eine Umstellung. Aber das ist spannend und wichtig! Manche haben diese Herausforderung gut gefunden, andere nicht. Das ist okay, ich wäre zerknirscht gewesen, wenn wir eine Biennale gemacht hätten, die rundum abgenickt würde. Das Zusammenbringen verschiedener Ebenen ist aufgegangen. Was ich mir noch mehr gewünscht hätte, ist, dass die Kuratoren in ihren Projekten stärker aufeinander eingehen. Aber man kann nicht alles bei der ersten Biennale machen.

Dennoch wurde kritisiert – auch vom KURIER –, dass einzelne Ausstellungen als Ausstellungen nicht funktionieren.

Wir brauchen Mut, ohne Rücksicht auf Ästhetik die großen Fragestellungen anzugehen. Kritiker und Fans der bildenden Kunst sehen das durch eine bestimmte Brille. Für mich spielt das nur eine beschränkte Rolle in dem, was die Biennale erreichen soll. Es ist mir nicht wichtig, eine aus Sicht der bildenden Kunst schöne Designausstellung zu machen, sondern ein ruppiges Thema ruppig zu präsentieren.

Welches Thema?

Wir müssen Bewusstsein dafür schüren, dass wir in einer neuen Moderne leben, die alle Lebensbereiche verändert. Ich bin allergisch gegen die Verharmlosung dessen, was derzeit in der Digitalisierung, teils auch beim Klimawandel passiert. Wenn ich bei Künstlern das Gefühl bekomme: Für die ist zwar das Internet Teil ihres tagtäglichen, auch künstlerischen Lebens, aber sie reflektieren in keiner Weise die Dimension dessen, was da digital passiert, dann macht mich das ganz wild.

Aber warum funktioniert dieses spartenübergreifende Denken so oft nicht?

Das ist völlig klar: Alle müssen von etwas leben können, sie sind von den Mechanismen abhängig, über die sie ihre Leistungen verkaufen. So lange es keine sinnvollen, nachhaltigen Auftragskon-struktionen gibt, wird es das Zusammenspiel kreativer Sparten immer nur in Ansätzen geben. Wir brauchen aber ein Zusammenwirken der Besten, um die kommenden Probleme zu lösen.

Fehlt nicht vor allem noch das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung, dass große Probleme auf uns zu kommen? Wenn schon eine einzige Fußgängerzone monatelang heiß diskutiert wird, scheinen Neuerungen wie Roboterfabriken und die Gefahren der künstlichen Intelligenz weit weg.

Das Bewusstsein steigt. Wenn die ersten vollautomatischen Fabriken eröffnen, die den Menschen Jobs wegnehmen, wenn führende Köpfe vor den weitreichenden Auswirkungen künstlicher Intelligenz warnen, dann wird das ankommen. Und es ist wirklich wichtig, dass dieses Thema bei allen ankommt, nicht nur bei Eliten und manchen Kreativen. Wir als Museum können nur versuchen, die Diskussion voranzutreiben, den Menschen etwas mitzugeben. Kein Besucher wird bestreiten, dass diese erste Biennale viele positive und zukunftsweisende Ideen liefert. Und wir werden die Biennale 2017 so anlegen, dass sie für möglichst viele Menschen attraktiv ist.

Was wird das Thema sein?

Wir müssen das erst mit den Partnern besprechen, aber die großen Fragen liegen auf der Hand: Zukunft der Arbeit, Robotik, künstliche Intelligenz. Das alles haben wir einfach nicht im Griff, dafür müssen wir ein breites Bewusstsein schaffen.

Digitale Moderne und die Macht des Designs

Worum geht es?
Die Vienna Biennale (bis 4. Oktober) will ins Bewusstsein rücken, dass uns allen große Veränderungen bevorstehen: Durch die Digitalisierung und den technologischen Fortschritt werden Arbeit, Alltag, Zusammenleben und Kommunikation völlig umgekrempelt.
Mit Ausstellungen u.a. im MAK und der Kunsthalle Wien will man zeigen, welche positive Rolle Design, Architektur und Kunst in diesen Veränderungen spielen können.
www.viennabiennale.org

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