Billy Talent: Trump, Waffen und Höhenangst

Ben Kowalewicz: Traurig über den Tod von David Bowie
Die Kanadier zeigen sich mit "Afraid Of Heights" besorgt und erschrocken.

Es war der 15. Jänner 2016. Da wurde klar, dass Drummer Aaron Solowoniuk beim kommenden Freitag erscheinenden Billy Talent-Album "Afraid Of Heights" nicht mitspielen kann. Seit Ende der 90er-Jahre litt er an Multipler Sklerose, hatte die Krankheit mit entsprechender ernährung und Medizin aber im Griff. Jetzt hatte er einen Rückfall – so schlimm, dass er zu schwach war, sein Instrument zu bedienen.

"Wir waren zwei Tage nach Silvester ins Studio gegangen, um ,Afraid Of Heights’ aufzunehmen", erinnert sich Sänger Ben Kowalewicz. "Aber anstatt ein energetischer Neustart wurde das eine sehr düstere, intensive Phase für uns. Da war dieses prinzipielle Gefühl, dass die Welt auf eine Apokalypse zusteuert. Dann die Nachricht von David Bowies Tod, dessen Autogramm ich immer noch bei meinem Bett habe, weil er für mich einer der Größten war. Das mit Aaron dann noch oben drauf war wie ein Stich ins Herz."

Kein Wunder. Billy Talent waren schon in der Kindheit dicke Freunde gewesen, hatten sich zusammen von einer rebellischen, links-orientierten Punk-Band, die zehn Jahre um den Erfolg gekämpft hatte, zu einem der gefragtesten Live-Acts hochgespielt und mit Hits wie "Red Flag" schließlich ein Mainstream-Publikum erobert.

Tränen

"Dass wir auseinander gerissen wurden, hat uns viele Diskussionen und Tränen gekostet. Aaron sagte immer wieder: ,Ich weiß nicht, ob es mir in sechs Wochen, in sechs Monaten oder erst in sechs Jahren wieder besser gehen wird. Ich will euch nicht blockieren, macht ohne mich weiter!’"

Also holten sich Billy Talent Jordan Hastings von Alexisonfire als Drummer und hatten Aaron als Produktions-Berater. Dieses Quintett machte ein Album, das seine Themen und den Titel aus der Unzufriedenheit mit – und auch der Angst vor – dem Zustand der Gesellschaft bezieht.

"Der Titel ,Afraid Of Heights’ ist eine Metapher dafür, wie sich die Gesellschaft immer mehr zurück entwickelt", erklärt Songwriter, Gitarrist und Produzent Ian D’Sa im Interview mit dem KURIER. "Dafür, wie wir immer mehr Angst vor Neuem , vor Weiterentwicklung haben. Diese Songs sind Gedanken darüber, wer wir als Menschen und als Menschheit heutzutage sind."

Diese Gedanken unterlegen Billy Talent musikalisch mit ihrem gewohnt energetischen Mix aus Punk, Rock und hymnischen Melodien. Festgemacht werden sie einerseits an politischen Entwicklungen, andererseits an persönlichen Erlebnissen.

Fanatisch

"Rabbit Down The Hall" über blinden religiösen Fanatismus handelt zum Beispiel nicht von Jugendlichen, die sich radikalisieren, sondern von einer Verwandten, die D’Sa sehr nahe steht: "Ich musste in den letzten Jahren zusehen, wie diese Person, die sehr katholisch ist, immer fanatischer wurde. So, dass sie die Religion sogar vor ihre Familie gestellt hat und man nicht mehr mit ihr reden konnte."

Billy Talent: Trump, Waffen und Höhenangst
BVilly Talent, gratis

Auf der politischen Ebene blicken die Kanadier, die in Toronto leben, gleich zwei Mal über die Grenze in die USA. "Big Red Gun" greift das Thema Waffenbesitz auf.

"Die USA haben in der Verfassungen das Recht festgeschrieben, dass jeder Waffen besitzen darf", erklärt D’Sa. "Das ist mittlerweile zu einem glorifizierten Teil ihrer Kultur geworden, an dem aber absolut nichts glorreich ist. Da hätte die Verfassung längst korrigiert werden müssen. Weil das aber nicht passiert ist, das ist die Waffenindustrie zu so einem großen Wirtschaftsfaktor geworden, dass jetzt alle denken, den zu schließen, wäre auch nicht gut für die Bevölkerung."

Gefährlich

Mehrmals nehmen Billy Talent in unterschiedlichen Songs auf Präsidentschaftskandidat Donald Trump und seine Botschaften Bezug. "Obwohl wir nicht in den USA leben, halten wir diese Entwicklung für extrem gefährlich. Dass so viele Menschen bereit sind, derartige Ideen zu unterstützen, erschreckt und erschüttert mich bis ins Mark."

Auch wenn seine Lieder die USA-Wahl nicht beeinflussen werden, ist D’Sa nach wie vor von der Wirkung von Protestsongs überzeugt: "Wenn wir Leute dazu bringen können, darüber nachzudenken, was vorgeht, ist das Ziel erreicht. Wir bekommen häufig Rückmeldungen darüber, dass Fans das tun. Als wir zum Beispiel den Song "Devil In A Midnight Mass" über die Vergewaltigungen, die Priester in der Kirche begangen haben, veröffentlichten – da haben uns so viele Vergewaltigungsopfer geschrieben, wie sehr ihnen der Song geholfen hat."

INFO

Billy Talent live: 26. 11. Wien/Gasometer und 27. 11. Graz/Orpheum

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