Bill Ramsey: Der Jazzman mit der Zuckerpuppe

Bill Ramsey
Die Jazz- und Schlager-Legende Bill Ramsey ist 85 und singt nach wie vor "furchtbar gern".

Nach einer Knieoperation und mit angeknackster Hüfte ist Bill Ramsey ein bisschen wackelig auf den Beinen. Aber die Stimme eines der letzten Entertainer seiner Generation ist kraftvoll geblieben. Seit elf Jahren – so auch morgen, Montag, – tritt der Sänger auch regelmäßig bei Axel Melhardt im Wiener "Jazzland" auf.

Der Club ist meist bummvoll. Nicht die alten Schlager der 50er- und 60er-Jahre wie "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett", "Pigalle", die "Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe" oder der Wumba Tumba Schokoladeneisverkäufer stehen da im Vordergrund, sondern Jazz-Klassiker wie "Satin Doll" und "Lady is a Tramp".

KURIER: Warum singen Sie heute lieber Jazz als alte Schlager?

Bill Ramsey: Es ist wunderbar, dass die Leute die witzigen Nummern von damals bis heute gern hören. Ich spiele sie auch noch ab und zu, um dem Publikum eine Freude zu machen. Aber ich singe lieber Jazz, weil man doch jeden Abend improvisieren und etwas Neues kreieren kann.

Sogar auf der neuen Doppel-CD "My Words" (Bear Family) sind zwei brandneue Aufnahmen unter den 31 Titeln, die meisten mit Texten von Ihnen?

Ja, diese Nummern kennt fast niemand. Es sind Raritäten mit Jazz Combo und Big Band, begleitet und arrangiert von Großen der Jazzszene wie Kurt Edelhagen, Toots Thielemans und Peter Herbolzheimer.

Viele der einstigen Weggefährten sind nicht mehr unter uns?

Ja. In letzter Zeit mussten wir uns von vielen lieben Freunden für immer verabschieden: Dieter Hildebrandt, Chris Howland, Harry Rowohlt und Paul Kuhn, mit dem ich Mitte der 60er-Jahre meine erste Jazz-Platte aufgenommen habe, die LP "Ballads & Blues".

Mit Peter Alexander standen Sie vor der Kamera.

Ja, in zwei Filmen. Er war so gut. Er war ein großartiger Parodist und ein großer Fan des Swing, der gut Piano spielen konnte. Zu Hause haben wir Jazz-Standards gespielt. Peter war auch ein Mensch, den ich sehr geschätzt habe. Der hatte eine Mordsdisziplin und war saukomisch.

Hat Ihnen nicht Ella Fitzgerald einmal ein schönes Kompliment gemacht?

Ja. Ich kam 1952 nach Europa und war zuerst bei der Air Force als Offiziersberater in Frankfurt stationiert. Bald arbeitete ich für den Soldatensender AFN und hatte dort den ganzen Tag mit Musik zu tun. Mit Aufnahmen von Jazz-Orchestern und Solisten, die in Frankfurt gastierten: Stan Kenton, Woody Herman, Duke Ellington,und bei Jazz at the Philharmonic sollte ich etwas für Ella singen.

Und?

Ich dachte: Um Gottes Willen, kommt nicht in Frage. Ich doch nicht, ein kleiner Scheiß-Soldat. Dann haben sie mich angesagt. Ich habe einen Blues gesungen, eine Ballade. Und Ella sagte zu meinem Chef: "Schließe nur die Augen, und du glaubst, es singt ein Schwarzer." Das war das schönste Kompliment, das ich jemals bekommen habe.

Das wollten Sie doch: Singen wir ein Schwarzer?

Natürlich, das war mein Ziel. Die schwarzen Sänger und Sängerinnen waren meine Vorbilder und Idole.

Joe Williams etwa, der durch seine Auftritte in der Count- Basie-Band bekannt war.

Mit ihm war ich sehr befreundet. Er war ein sehr lieber, sehr erfahrener Mensch. Ich habe seine Titel gesungen und ihm eine Tribute-Platte gewidmet: "Here's to Life – Here's to Joe" (2009). Ein Song davon – "In The Eyes Of Children" – ist auch auf "My Words".

Und welche der jüngeren Vokalisten interessieren Sie?

Kevin Mahogany und Gregory Porter.

Im "Jazzland" treten Sie sozusagen mit alten Bekannten wie Richard Österreicher auf?

Mit Ritchie habe ich schon ewig zu tun, seinerzeit mit der ORF-Bigband und bei TV-Sendungen, für die er die Arrangements machte. Nostalgie-Sachen. Und der Vibrafonist Martin Breinschmid rief mich an und sagte, er kenne einen großartigen veganen Heurigen, wo es sensationelle Schweinshaxen gibt (lacht). Das ist seine Art Humor.

In Wien sind Sie gern?

Eine Zeit lang war ich nicht gern hier, weil ich ganz miese Erlebnisse mit Filmproduzenten hatte. Aber jetzt sagen meine Frau und ich, wenn wir aus irgendeinem Grund nicht in Hamburg leben könnten, würden wir sofort nach Wien ziehen. Ich liebe Wien, und ich mag die österreichische Mentalität. Hamburg ist schön grün, liegt am Wasser, und die Leute haben einen furztrockenen Humor. Die Wiener sind anders: skurriler.

Ihre Stimme hat Sie nie im Stich gelassen?

Doch. Letztes Jahr hier in Wien. Da war ich beim berühmten HNO-Arzt Reinhard Kürsten, der alle Sänger behandelt. Und der sagte: "Du machst eine große Partie. Man kann auch einen Opernsänger nicht drei Tage hintereinander einsetzen." Würde ich so weitermachen, wäre meine Stimme kaputt. Also mache ich jetzt Pausen zwischen den Konzerten.

Wie sehen Sie den Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft und Donald Trump?

Am liebsten würde ich in die andere Richtung gucken. Wenn ich sage, was ich über diesen Mann denke, dann sind am nächsten Morgen seine Anwälte bei mir. Donald Trump ist unqualifiziert, ungebildet, total eitel und hat alles denkbar Negative. Aber er wird nicht gewinnen.

Wie bitte?

Ja. Die Präsidentschaft wird Hillary Clinton gewinnen. Sie ist qualifiziert. Trump hat sich doch viele Feinde gemacht – die Schwarzen, die Hispanics, die Frauen, was will man mehr.

Sie sind seit 33 Jahren verheiratet?

Ja? Das wusste ich gar nicht. Petra ist meine vierte Frau. Diesmal ist es richtig. Hundertprozentig richtig. Meine Frau managt mich und schimpft auf manche Produzenten. Sie ist klug. Wenn ein Veranstalter anruft: "Bill kenne ich schon seit 30 Jahren. Das ist ein alter Freund." Da sagt sie: "Dann zahlen sie doch sicher eine höhere Gage, oder? Einem alten Freund zahlt man doch einen guten Preis."

Sie erzählen gern Witze, welcher ist im Moment Ihr Favorit?

Al Capone besucht einen Jazzclub und schickt einen seiner Bodyguards zum Bandleader mit seinem Musikwunsch: "Come Rain or Come Shine". Also geht der Schlägertyp zum Pianisten und sagt: "Mister Capone möchte, dass du ,Come Rain or Come Shine‘ spielst. Und wenn ich dir einen guten Rat geben soll, dann spielst du besser beides."www.ramsey.de

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