Biennale: Die Kunst zeigt dem Minister die kalte Schulter

Türkis: die neuen Sitzmöbel in den Giardini von Jeppe Hein
Trenklers Tratsch: Blümel eröffnete den österreichischen Pavillon in Venedig – und ist in der Kulturpolitik säumig

Von Mal zu Mal ändert sich etwas in den Giardini von Venedig. Heuer kamen neue Sitzmöbel hinzu, vier raffiniert geschwungene Teile des Dänen Jeppe Hein, die ein wenig an eine waghalsige Carrera-Autobahn erinnern. Dieser Abenteuerspielplatz für Erwachsene wurde nicht nur unweit des österreichischen Pavillons ausgestellt, sondern auch türkis lackiert.

ÖVP-Kulturminister Gernot Blümel, zum ersten Mal bei der Kunstbiennale, dürfte, falls ihm Heins Objekte aufgefallen sind, seine helle Freude gehabt haben. Denn bei der Pressekonferenz zur Eröffnung des Pavillons ließ er unter dem Beinkleid türkise Socken hervorblitzen. Das nennt man Identifikation.

Die ganze Nacht hatte es geschüttet, nun, Donnerstag zu Mittag, kam die Sonne heraus. Eine größere Freude hätte man Renate Bertlmann nicht machen können. Denn ihre für Venedig konzipierte Arbeit spielt mit Licht und Schatten. Sie ging dezent auf Distanz zum Pavillon, montierte nichts an der Wand. Daher wirft der Schriftzug „amo ergo sum“ eben bei Schönwetter ein Schattenbild auf die Fassade. Und nur bei Schönwetter leuchten im Innenhof die 312 in Murano gefertigten „Messerrosen“.

Die Stimmung also war gut bei der Pressekonferenz. Und Felicitas Thun-Hohenstein, die Kuratorin, erheiterte mit einem Versprecher von Freud’schem Ausmaß: Sie dankte den Lebenspartnern, nein Medienpartnern.

Stiller Protest

Wenige Stunden später folgte die Eröffnung. Thun-Hohenstein sagte eigentlich das Gleiche, nur in Englisch – und simultan in Gebärdensprache übersetzt. Frenetisch bejubelt wurde von den Kulturschlachtenbummlern die Feststellung, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Pavillon von einer Frau allein bespielt wird.

Danach wurde es stiller.

Lauffeuerartig hatte sich ein Zeichen des Protests gegen die Regierung herumgesprochen: Wenn Blümel das Mikrofon ergreife, solle man sich abwenden. Etwa ein Drittel der halben Tausendschaft dürfte dem Minister tatsächlich die kalte Schulter gezeigt haben. Vorwerfen allerdings konnte man Blümel nichts. Denn dass der Pavillon zum ersten Mal allein von einer Frau bespielt wird, wurde, sagte er, von seinem Vorgänger, dem nunmehrigen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda, ermöglicht. Blümel erbat Beifall: „Lieber Thomas, dieser Applaus gehört dir!“ Raffiniert. Und dann kehrte Blümel wieder heraus, Philosophie studiert zu haben. Denn er ging auf René Descartes ein – und erklärte Bertlmanns radikale Umdeutung von „cogito ergo sum“. Es gab schon dümmere Kulturminister.

Am Rande des Events nahm Blümel auch zum neu zusammengesetzten Beirat zur Förderung des innovativen Films Stellung. Er habe, sagte er, nur Nachbesetzungen vorgenommen und stehe zu seiner von der Branche kritisierten Entscheidung.

Wie sehr die Aufregung begründet ist, wird sich erst zeigen. Das Budget für den innovativen Film (2,2 Millionen Euro) wurde nicht reduziert. Und der neue Beirat sprach – noch – keine kritikwürdige Empfehlung aus.

Kein Museumsbeirat

Bedenklicher erscheint, dass Blümel bei der Bestellung des Museumsbeirats säumig ist. Unlängst schrieb Wolfgang Muchitsch, Chef des Joanneums in Graz, als Präsident des Museumsbundes einen sorgenvollen Brief an den Minister. Seit Ende der Einreichfrist im Jänner würden zahlreiche Museen auf Zu- oder Absage einer Förderung des Bundes warten: „Viele Zeitpläne mussten bereits verschoben werden, Projektrealisierungen sind in Gefahr.“ Muchitsch bittet „dringend“, einen Museumsbeirat einzusetzen – und diesen (im Gegensatz zum Filmbeirat) „mit fachkundigen Menschen zu besetzen“.

Dass es generell keine rosigen Zeiten sind: Das zeigen die Künstler in Venedig eindringlich – trotz des Biennale-Mottos „May You Live In Interesting Times“...

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