Beth Ditto: „Geld und Gier regieren die Welt“
"Der Hass der Leute gegenüber Queer-People und Menschen anderer Rassen überwiegt derart, dass sie nicht mehr an die eigene Lebensgrundlage denken.“
Nur so, sagt Beth Ditto im KURIER-Interview, kann sie sich den Zuspruch erklären, den Präsidentschaftskandidat Donald Trump in ihrer amerikanischen Heimat hat. Im Büro ihrer Plattenfirma in Berlin soll die Gossip-Sängerin, die mit den Dance-Punk-Hits „Heavy Cross“ und „Standing In The Way Of Control“ Ende der 00er-Jahre berühmt wurde, über das Freitag erscheinende Reunion-Album „Real Power“ sprechen.
Doch sie sieht sich genauso als Aktivistin wie als Musikerin, hat sich seit Beginn der Karriere für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft eingesetzt, und mag – obwohl viele soziale und politische Botschaften in den Texten von „Real Power“ stecken, – ihre Songs nicht so gern kommentieren. „Sie entstehen assoziativ, da steckt keine große Story dahinter,“ erklärt sie.
Dass sie sich davor fürchtet, dass Trump wiedergewählt werden könnte, dass ihr der Zustand der Welt im Allgemeinen große Angst macht, muss trotzdem gesagt werden: „Im Moment ist es, als würde ich beobachten, wie die Mafia das Ruder übernimmt. Geld, Gier und Psychopathen regieren heute die Welt.“
Reduziert
Viele dieser Themen klingen in den Songs von „Real Power“ an. Musikalisch schließen Ditto, Gitarrist Nathan Howdeshell und Drummerin Hannah Billie mit diesem ersten Gossip-Album seit zwölf Jahren an den Sound ihrer großen Erfolge an. Sie legen funkige Rhythmen unter punkige Gitarren, glänzen aber auch mit reduziert instrumentierten langsameren Liedern, die Dittos Powerstimme in den Mittelpunkt rücken. Und sie liefern mit jeder Menge einnehmender Melodien.
Den Titelsong schrieb Ditto als Reaktion auf die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung im Mai 2020, die in ihrer Heimatstadt Portland in gewalttätigen Straßenschlachten mit Gegendemonstranten ausarteten.
„In den konservativen Medien wurde es dargestellt, als wäre in Portland der Krieg ausgebrochen, was überhaupt nicht so war.“
Stolz
Sie sagt, sie sei in dieser Zeit sehr stolz auf ihre Stadt gewesen: „Am Höhepunkt von Corona, noch bevor es eine Impfung gab, gingen sie gemeinsam auf die Straße und riskierten ihr Leben, um zu zeigen, wie verärgert sie über den von Polizeigewalt verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd waren.“
Sie selbst war nicht auf den Demos. „Ich habe eine Autoimmunkrankheit und Corona hätte tödlich für mich sein können.“ Ihre Tante ist an Corona gestorben und Ditto hatte während der Aufnahmen zu „Real Power“ generell eine schwierige Zeit. Sie kämpfte nach der Scheidung von ihrer Langzeitpartnerin Kristin Ogata, aber auch wegen der Rücknahme einiger Rechte der LGBT-Community mit Depressionen und wurde mit ADHS diagnostiziert.
Traumata
Vieles, was auf „Real Power“ Ausdruck bekommt, dreht sich deshalb um Familie, Verlust und die Nachwirkungen der Traumata von Pandemie und Kriegen – besonders schön in den Songs „Don’t Be Afraid“ und „Peace And Quiet“.
Gossip kommen mit dem Album in eine Szene zurück, die sich stark verändert hat. Damals feierten sie lautstark Werte wie Diversität, Body-Positivity und den Glamour der Queer-Community. Sie waren damit nicht alleine, aber die Einzigen, die das im Mainstream tun konnten – mit dem Erfolg, dass diese Werte jetzt in der Pop-Kultur fest verankert sind.
Ditto sieht Gossip dahingehend aber nur als kleinen Teil von Wegbereitern. „Vor uns gab es die Buzzcocks, die Raincoats und K. D. Lang. Aber ja, jetzt gewinnen solche Acts Awards und verkaufen die größten Hallen aus. Das ist toll. Ich bin gespannt darauf, zu sehen, wie es in 20 Jahren Kindern geht, die heute davon Zeuge sind.“
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