Bestseller aus Norwegen: Drei Bienenstiche, mindestens

In China sind Bienen bereits durch menschliche Bestäuber ersetzt worden
Maja Lunde: Ein Glücksfall ... und noch zwei Bücher über Bienen

Der Buchumschlag erweckt den Eindruck, hier können die Bienen reden, und irgendein Mariechen wird mit dem Holzschwert den Kampf gegen die bösen Varoamilben antreten.

Ganz falsch. "Die Geschichte der Bienen" ist ein herausragender Roman für Kopf und Herz und Bauch. Ein Glücksfall aus Norwegen von Maja Kunde, 41, die bisher acht Kinderbücher geschrieben hat.

Ein Roman, der zusticht. Mehrmals verspürt man beim Lesen schmerzhaft einen Stich. Das hat viel mit den Bienen zu tun, die "wir" mit Chemie umbringen, bevor "es" uns umbringt.

Drei Teile

Aber hängt auch mit den Menschen zusammen. Denn es ist ebenso eine Geschichte der Mütter und Väter und der Töchter und Söhne.

Sowie eine Geschichte der Leidenschaft.

(Starkes Theater bekommt man geboten: Steht ein 15-Jähriger am Bett des Vaters, der nicht mehr aufstehen will ... so depressiv wegen der beruflichen Niederlagen. Der Bub schreit ihn an: "Steh endlich auf, Vater! Was ist mit deiner Leidenschaft???")

Drei Teile hat der Roman. Sie fließen ineinander, die Jahre, die dazwischen liegen, sind kein Problem. Hängt ja alles zusammen.

Der schockierendste Teil spielt in China im Jahr 2098.

Auf den Obstbäumen klettern Frauen von Ast und Ast. Sie halten ein Pinselchen und eine Dose mit Pollen in Händen. Die Blüten müssen bestäubt werden. Sonst herrscht Hungersnot. Es gibt keine Bienen mehr.

Und wenn man bedenkt, dass in Sichuan wegen der Schädlingsbekämpfung schon seit Jahrzehnten Arbeiter Bienen spielen müssen, weil um 1980 alle Bienen verschwunden sind ...

Dann ist da noch Teil zwei, 1852 in England, die modernen Bienenzucht wird erfunden; und Teil drei, 2007, über einen Imker in Ohio, der plötzlich keine Bienen mehr hat: Colony Collapse Disorder. In den Bienenstöcke fehlen von einem Tag auf den anderen alle Arbeiterinnen. Die Umwelt ist offensichtlich Gift geworden.

Aufstehen! Wo ist die Leidenschaft? Dunkel erinnert man sich, dass Österreich einen Landwirtschaftsminister hat. Sehr gut.


Maja
Lunde:

„Die Geschichte der Bienen“
Übersetzt von
Ursel Allenstein.
Verlag btb.
512 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Zuckerwasser mit Anis ist verlockender

"Auf der Spur der wilden Bienen" ist großteils ein Ratgeber: Wie werde ich ein erfolgreicher Bienenjäger? Ein Bastelbuch ist es auch: So baue ich eine Kiste mit zwei Kammern, um Bienen zu fangen.
Der amerikanische Neurobiologe, Bienenzüchter und -forscher Thomas D. Seeley wirbt für den Freizeitsport namens Zeidlerei. Schon Steinzeitmenschen jagten wilde Bienen, um hohle Bäume mit Honig zu finden. Heute sollte man nur ihrem Geheimnis auf die Spur kommen und sie dann in Ruhe lassen.
Man lockt sie in die Box und füttert sie mit Zuckerwasser. Denn dann sind sie voll sozusagen und fliegen sofort zur Heimatadresse. Kehren sie in fünf bis neun Minuten zum Zucker zurück, ist ihr Baum nicht weiter als 1,5 Kilometer entfernt. Für die Verfolgung reichen Rucksack, Kompass und gute Augen.
Seeleys Buch klingt – ungewöhnlich. Es bietet noch allerhand übers Tänzeln der Bienen, mit dem sie Kollegen informieren, dass in der Steingasse 5 beim Ginster rechts ein seltsamer Typ Zucker anbietet. Nicht vergessen: Sirup mit Anis-Aroma lockt mehr Bienen an als Sirup mit Pfefferminze.

Thomas D.
Seeley
: „Auf der Spur der
wilden Bienen“
Übersetzt von
Sebastian Vogel.
S. Fischer.
210 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

Freude über die orangen Haare

Irgendwie tut das sehr gut, wenn man bei "Die seltensten Bienen der Welt" merkt: Kleine Insekten können dafür sorgen, dass höchstpersönliche Glücksberge über die düsteren Wolken ragen. Das hat der französische Insektenforscher Jean-Henri Fabre gezeigt, wenn er in seinem Garten unter einen Stein geschaut und dort die Rauhaarige Sandwespe = die Welt entdeckt hat.
Und das demonstriert auch der englische Naturschützer und Biologe Dave Goulson, wenn er durch Patagonien reist, durch Ecuador, Regenwälder und durch ... Hinterhöfe. Seine Freude ist ansteckend, seine Beobachtungen machen neugierig. So ist das also: Eine Ackerhummel hat seitlich auf dem Hinterleib schwarze Haare. Die Mooshummel ist überall plüschig. Die steifen Haare auf den Hinterbeinen der Grashummel sind orange, bei der Steinhummel sind sie schwarz.
Goulson kann lebhaft erzählen, sein Forschergeist war schon als Kind ausgebildet, als er aus Taubenkot Sprengstoff erzeugen wollte. Seine Reportagen sind voller Leidenschaft. Nicht nur Bienen haben in diesem Mann einen Freund.


Dave
Goulson:

„Die seltensten Bienen der Welt“
Übersetzt vvon
Elsbeth Ranke.
Hanser Verlag.
304 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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