75. Berlinale: Goldener Bär für Haugeruds "Dreams (Sex Love)"

Goldener Bär für  Dag Johan Haugerud: „Dreams“
Der Goldene Bär ging nach Norwegen zu Dag Johan Haugeruds hinreißenden Film „Dreams“, Johanna Moders "Mother's Baby“ geht leer aus

Der Goldene Bär der diesjährigen Berlinale geht nach Norwegen: Regisseur Dag Johan Haugerud erhielt für  seine hinreißende Coming-of-Age-Geschichte „Dreams (Sex Love)“ den Hauptgewinn der 75. Internationalen Filmfestspiele: „Es war jenseits meiner wildesten Träume, jemals diesen Preis zu gewinnen“, seufzte  der  60-jährige Haugerud – von Beruf eigentlich Bibliothekar – mit beglücktem Lächeln und  seinem goldenen Bären  in der Hand: „Das ist ein Film über das Schreiben und über das Lesen. Schreibt mehr und lest mehr. Das erweitert den Geist und tut uns allen gut.“

„Dreams (Sex Love)“ ist der letzte Teil einer Trilogie und handelt nicht nur vom Schreiben, sondern auch von der ersten großen Liebe, die eine Schülerin in Oslo für ihre neue Lehrerin empfindet. Die  rauschhafte, aber auch schmerzliche Erfahrung jugendlicher Leidenschaft hält das Mädchen in ihren  Aufzeichnungen fest und gibt sie schließlich ihrer Mutter und Großmutter zu lesen. Die intime Lektüre löst bei den  älteren Frauen gemischte Gefühle aus. Während die Großmutter auf ihr eigenes  Liebesleben zurückblickt, fragt sich die Mutter, ob sie das Protokoll eines  Missbrauchs vor sich liegen hat. Mit zarter Hand entwirft Haugerud ein tiefsinniges, witziges und auch visuell wunderbar gelungenes Porträt dreier Frauengenerationen, das US-Regisseur Todd Haynes und seine Preisjury begeisterte. 

75. Berlinale: Goldener Bär für Haugeruds "Dreams (Sex Love)"

Preis als beste Schauspielerin: Rose Byrne für „If I Had Legs I’d Kick You“

Als bester Nebendarsteller wurde Andrew Scott („sexy priest“ in der Serie „Fleabag“) für seine Darstellung des legendären Musical-Komponisten Richard Rogers in Richard Linklaters Broadway-Hommage „Blue Moon“ ausgezeichnet. Der redegewaltige Ethan Hawke in der Hauptrolle als Lorenz Hart ging leer aus.  Den Preis als beste Hauptdarstellerin erhielt dafür die australische Schauspielerin Rose Byrne für ihr großartiges Spiel als gestresste Mutter in der hyperaktiven Tragikomödie „If I Had Legs I’d Kick You“. 

Den Preis für den besten Dokumentarfilm erhielt Brandon Kramer für „Holding Liat“. In seiner berührenden,  von Darren Aronofsky produzierten Arbeit begleitet er die Verwandten von Liat Atzil, die   am 7. Oktober  von der Hamas entführt worden war und seitdem als Geisel gehalten wird. „Holding Liat“ plädiert in seiner differenzierten Darstellung einer politisch zerrissenen Familie für ein friedliches Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern.

Der Rumäne Rade Jude erhielt für seine eloquente Gesellschaftssatire „Kontinental ’25“ den Preis für  bestes Drehbuch  und bedankte sich mit den Worten: „Das ist sehr witzig. Ich bin nämlich kein guter Drehbuchautor.“ Der österreichische Beitrag von Johanna Moder, deren Horror-Psychothriller „Mother’s Baby“  im Hauptwettbewerb lief, ging leer aus. Und so endete die Preisgala der ersten Berlinale unter der Leitung der neuen Intendantin Tricia Tuttle ohne politischen Skandal. 

Distanz mit klaren Worten

Gleich zu Beginn der Abschlussgala erinnerte Moderatorin  Désirée Nosbusch  an das Opfer des mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriffs am Holocaust-Mahnmal. „Alles Gute für denjenigen, der am Holocaust-Memorial hier in Berlin vor Kurzem attackiert und angegriffen wurde“, so Nosbusch. Mit dem mutmaßlichen Ziel, Juden zu töten, soll ein 19-jähriger, anerkannter syrischer Flüchtling im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin auf einen spanischen Touristen eingestochen haben. Nach  einer Notoperation ist der Zustand des 30 Jahre alten Opfers stabil.

Im Jahr 2024 hatte es beim Abschlussevent einen Eklat mit Antisemitismus-Vorwürfen gegeben, und auch heuer sorgten einige Teilnehmer des Festivals mit israelkritischen Äußerungen für Aufregung. In einem Fall zog das gar Ermittlungen des Staatsschutzes nach sich. Die Berlinale distanzierte sich umgehend mit klaren Worten.

Insgesamt hinterlässt Tricia Tuttles erste Berlinale Aufbruchsstimmung. Mit einer gelungenen  Mischung aus  Stars auf dem roten Teppich und einem Wettbewerb auf   stabilem Arthouse-Niveau gelang der Amerikanerin  ein durchwegs sehenswertes Festival.  

 

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