Bergmanns Burgtheater-Abschied: „Alles andere als Auslauf-Spielzeit“

Bergmanns Burgtheater-Abschied: „Alles andere als Auslauf-Spielzeit“
Karin Bergmann startet mit „Stolz“, guten Zahlen und Claus Peymann in ihre letzte Saison

Vielleicht die Zahlen gleich zu Beginn, damit das erledigt ist?

In der letzten Spielzeit nahm das Burgtheater 9,4 Millionen Euro aus Ticketverkäufen ein. Das seien zwei Millionen mehr als unter der vorigen Direktion, betont Geschäftsführer Thomas Königstorfer, und ein Rekord. Ebenso wie die 900.000 Euro von Sponsoren. Der Eigendeckungsgrad liege bei 25 Prozent. Die Auslastung betrage derzeit 77 %, in der gesamten Ära Karin Bergmann 78 %, im Vorjahr habe man 390.000 Zuschauer begrüßen können, heuer werden es noch mehr. Das Burgtheater habe einen Bekanntheitsgrad von 95 % und sei vor allem eines: schuldenfrei.

Kein Wunder, dass die scheidende Direktorin Karin Bergmann bei der Präsentation ihres Abschieds-Spielplans sehr zufrieden wirkte: „Ich bin stolz auf das, was uns gelungen ist.“ Heißt: Einen Schuldenberg von sechs Millionen abgetragen, ein zutiefst verunsichertes Haus saniert – und dabei von Publikum und Kritik geschätztes Theater produziert. 29 Ur- und Erstaufführungen habe es seit 2014 gegeben, zählt Bergmann auf, drei Einladungen zum Theatertreffen, einmal war man Theater des Jahres.

Bergmann: „Ich habe alles eingelöst, was ich damals komplett waghalsig versprochen habe.“ Und nennt die Auseinandersetzungen mit den „ganz großen“ Stoffen, die Förderung von zeitgenössischen Autoren, aber auch die Neuverpflichtung von großen Regisseuren und jungen Schauspielern .

Übergang?

In ihrer letzten Saison will Bergmann keineswegs ihre Ära gemütlich ausklingen lassen: „Das wird alles andere als ein Auslauf- oder Übergangsspielplan. Das Publikum interessiert sich an erster Stelle für gutes Theater und erst an zweiter für Direktionswechsel.“ Das Einvernehmen mit dem kommenden Direktor Martin Kušej sei aber gut, man werde diesem eine gute Übergangszeit ermöglichen, es gebe auch Gespräche über eine Übernahme von Bergmann-Produktionen durch die kommende Direktion.

22 Premieren wird es 2018/’19 geben, darunter sieben Ur- bzw. Erstaufführungen. Die Saison beginnt in Burg und Akademie – mit Roman-Dramatisierungen (das ist heutzutage offenbar unvermeidlich).

Am 5. September hat in der Akademie „Kommt ein Pferd in eine Bar“ nach David Grossmann Premiere, als Koproduktion mit den Salzburger Festspielen und mit dem Deutschen Theater Berlin. Dafür kehrt der großartige Regisseur Dušan David Pařízek an die Burg zurück. Im Haupthaus wird am 7. September eröffnet, mit „Mephisto“ nach dem Roman von Klaus Mann, Bastian Kraft inszeniert.

Zu den Highlights der (ganz ohne Shakespeare, Schiller, Kleist, Nestroy, Grillparzer, Bernhard, Jelinek auskommenden) Saison zählen „Glaube Liebe Hoffnung“ (Ödön von Horváth) in der Inszenierung von Michael Thalheimer, Werner Schwabs „Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos“, in Szene gesetzt von Nikolaus Habjan, „Medea“, nach Euripides inszeniert von Simon Stone, „Woyzeck“ (Johan Simons) und Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ in der Regie von Andrea Breth.

Und Claus Peymann wird noch einmal an die Burg zurückkehren und Ionescos „Die Stühle“ inszenieren – „eine Abschiedssymphonie für mich“, so Bergmann über ihren Weggefährten.

Weitere Projekte: Ein Stück von Josef Haslinger und eins von Herbert Fritsch – und das erste Stück von Joachim Meyerhoff. Schließtage sollen mit Talk-Abenden der Humor-Giganten Harald Schmidt und Michael Niavarani gefüllt werden. Eine René-Pollesch-Uraufführung beendet dann im Mai die Ära Bergmann.

Perspektive?

Zum Abschied äußerte sich die Direktorin auch zum Thema Politik, anspielend auf Vorwürfe, die Burg leiste zuwenig Widerstand gegen den Rechtsruck. „Die Perspektive hat sich gedreht, im Herbst vergangenen Jahres. Das österreichische Nationaltheater ist im Eigentum der Republik, und die Republik sind für mich die Wählerinnen und Wähler. Ich habe eine klare politische Meinung, aber die verordne ich niemandem in diesen Haus oder von der Bühne herab.“

Die Premieren

  • „Kommt ein Pferd in die Bar“ (nach David Grossmann): 5. September, Akademie.
  • „Mephisto“ (nach dem Roman von Klaus Mann; mit Nicholas Ofczarek): 7. September, Burg.
  • „Glaube Liebe Hoffnung“ (Regie: Michael Thalheimer): 29. September, Burg.
  • „europa flieht nach europa“ (ö. Erstaufführung des Stücks von Miroslava Svolokova): Europäische Geschichte als Karnevals-Farce – der Stärkste ist der, der die tollste Maske trägt. Aus dem Stück stammt das Motto der Spielzeit: „Willkommen beim Karneval der Wirklichkeit.“ Oktober 2018, Kasino.
  • „Der Kandidat“ (nach Flaubert, Regie Georg Schmiedleitner): Oktober 2018, Akademie.
  • „Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos“ (Werner Schwab): Puppen-Künstler Nikolaus Habjan inszeniert. November 2018, Akademie.
  • „Schöne Bescherungen“ (Alan Ayckbourns Komödie als „Weihnachtsgeschenk“, Barbara Frey inszeniert). Dezember 2018, Burg.
  • „Medea“ (Simon Stone nach Euripides): Dezember 2018, Burg.
  • „Die Stühle“ (Claus Peymann inszeniert Ionescos absurden Klassiker): Jänner 2019, Akademie.
  • „Die Ratten“ (Andrea Breth führt Regie): März 2019, Burg).
  • „Indigo“ (Jan Bosse dramatisiert den Roman von Clemens J. Setz): März 2019, Akademie.
  • „Woyzeck“ (Johan Simons inszeniert): April 2019, Burg.

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