Belvedere-Vizechef: "Gurlitt-Sammlung verkaufen"
In der Debatte um das weitere Schicksal der Kunstsammlung des im Mai verstorbenen Cornelius Gurlitt hat sich der Vizechef des Belvedere, Alfred Weidinger, in scharfem Ton zu Wort gemeldet: In einem Interview mit dem Art Newspaper kritisiert der Kunsthistoriker und Klimt-Experte das bisherige Vorgehen in dem Fall scharf und fordert, dass die Sammlung zugunsten von Holocaust-Opferverbänden verkauft bzw. versteigert werden sollte.
"Provenienzforschung ist ein unglaublich langwieriger Prozess", erklärt er dort. "Dokumente zu bekommen, ist sehr schwierig, und es gibt kaum je einen Abschluss, weil immer Fragezeichen übrig bleiben. Das ist das Problem mit dieser Hinterlassenschaft."
Anders als in Österreich, wo das Kunstrückgabegesetz seit 1998 eine aktive Provenienzforschung in den Bundesmuseen installiert hat, gibt es in der Schweiz keine entsprechenden Regelungen. Die Gurlitt-Bestände zu übernehmen und nur auf Anfrage von Erben oder derer Vertreter zu reagieren, wäre für das Kunstmuseum Bern aber keine Option, erklärt Weidinger. Mit Raubkunst-Verdacht behaftet, wären die Kunstwerke auch international nicht zu verleihen.
Kernfrage Provenienzforschung
Eine aktive Provenienzforschung zur Gurlitt-Sammlung müsste auf viele Jahre angelegt sein und wäre kostspielig - nicht zuletzt deshalb hofft die deutsche Kulturpolitik wohl, die Sammlung in die Schweiz überantworten zu können. In einer Vereinbarung, die am 9. April 2014 in Kraft trat, wurde erklärt, dass die deutsche Taskforce ihre Arbeit "im Wesentlichen innerhalb eines Jahres" abzuschließen habe - ein unrealistischer Zeitrahmen. Wenn das Kunstmuseum Bern die Bestände übernimmt, würde die Arbeit der Taskforce wohl auf deutsche Kosten fortgeführt werden, hieß es zuletzt in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung - doch wie lange und in welchem Umfang die Provenienzforschung von deutscher Seite weiterhin finanziert wird, ist nicht bekannt.
Für Weidinger gilt es daher, das Risiko eines Erbes an die Verwandten zu "vermeiden". Als "dritten Weg" schlägt er vor, das Kunstmuseum Bern solle das Erbe annehmen, aber die Bestände verkaufen - allerdings erst, nachdem alle Provenienz- und Restitutionsfragen geklärt seien. Die Erlöse sollten dann einer Organisation zugute kommen, die sich um Holocaust-Opfer kümmert. "Die Gurlitt-Sammlung sollte nicht weiter existieren, so unsauber wie sie ist", so Weidinger im "Art Newspaper".
Verkauf als "Schlusspunkt"
Auch wenn die Wissenslage heute anders ist, wird "endgültige Sicherheit" bei einigen Werken kaum herzustellen sein. "Unsichere" Werke würden aber von seriösen Händlern und Auktionshäusern kaum zum Verkauf angenommen. Die Provenienz "Gurlitt" könnte sich auch bei vordergründig "geklärten" Fällen als Bremse für die Kauflust von Sammlern erweisen. Sicher ist nur: Selbst wenn das Kunstmuseum Bern Weidingers Vorschlag folgen sollte, wird die Kunst noch viele Jahre im Museum lagern und untersucht werden müssen.
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