Beim Ersticken hat er gern geholfen

Hans Platzgumer
"Am Rand" von Hans Platzgumer

Ein bissl anbiedernd ist das. Man hat ja kaum zu lesen begonnen und weiß noch nicht, ob man länger zuhören will, da sagt der Erzähler – der Gerold Ebner – bereits, ich kann seine Wohnungsschlüssel aus dem Briefkasten fischen, es ist aufgeräumt daheim.

Er sitzt einstweilen auf dem Gipfel des Bocksbergs bei Hohenems und schreibt seinen Lebenslauf. Ein falscher Schritt, und er würde abstürzen. Allerdings hat er schon einige falsche Schritte gemacht und lebt noch. Noch! Er war immer: "Am Rand".

Aber bevor man erfährt, was mit dem Kerl los ist, wird man mit seiner Kindheit konfrontiert, als Sohn einer Südtiroler Prostituierten in Tirol, als "Hurenkind" – das Schimpfwort hat er nicht als solches empfunden, sondern als korrekte Bezeichnung. (So ein Trottel.)

Man wird seine Freunde kennenlernen, die Gefahr liebten, auf einem Kran ihren Mut zeigten und in die Tiefe kackten. Lustig: Einer der Kameraden war der Hans Platzgummer (mit zwei "m"), ein besessener Musiker. Damit schreibt sich der "Am Rand"-Autor Hans Platzgumer (mit einem "m") deutlich ins Buch hinein ...

Glück? Unglück?

Und dann, endlich, ist man dort, wo die Geschichte des bei Bregenz lebenden Musikers und Schriftstellers Platzgumer hin will: Es sterben die Leut – der Großvater, ein Jugendfreund.

Gerold Ebner hat nachgeholfen bei deren Erstickungstod. Waren ja sehr krank, die beiden. Also ist er kein Mörder, sondern hat agiert, um Glück zu bringen, irgendwie, oder was? Und am Ende bringt ihm etwas anderes Glück, indem "es" tötet – oder ist es dann, weil’s ihn direkt betrifft, ein Unglück?

Alles wird verschwinden wie der weiße Titel auf dem hellblauen Buchcover.

Das letzte Drittel hat gepackt, gebeutelt und nicht mehr losgelassen. Hätte diese Atmosphäre von Beginn an geherrscht, man hätte mit dem Loben nicht aufhören können. In Platzgumers apokalyptischem Roman "Der Elefantenfuß" (Limbus Verlag) über Tschernobyl gelang das ab Seite eins: Es strahlte.

Hans Platzgumer:
„Am Rand“
Zsolnay Verlag.
206 Seiten.
20,50 Euro.

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