Bei Veit Heinichen wird mit Rizinusöl gekocht

veit heinichen
Im zehnten Roman mit dem Triestiner Ermittler Laurenti leiden korrupte Politiker besonders intensiv.

Eines der wenigen Gerichte, die im Buch gegessen werden, ohne dass jemand argen Durchfall bekommt, sind fritole con l’anima, frittierte Bällchen aus Germteig mit einem Sardellenfilet.

Wird in Triest aber nur noch selten angeboten.

Vielleicht im Restaurant von Ami Scarbar, die sich mehr als sonst gewundert hat, was ihr Lebensgefährte Veit Heinichen da aufführt.

Er mischt den Korrupten Rizinus ins Essen. Rizinusöl oder, wenn die Strafe härter sein soll bzw. tödlich, die Samen des Rizinbaumes.

"Scherbengericht" ist schon der zehnte Fall für den Triestiner Ermittler Proteo Laurenti.

Ein stimmiges, stimmungsvolles Buch mit alt gewordenen Prostituierten, neuen Betrügereien im Hafen, einer ermordeten Reederin ... Im Interview verrät Heinichen mehr vom Inhalt.

KURIER: Gibt’s denn nirgendwo einen Platz ohne Korruption?Veit Heinichen: Was wär denn das für eine Welt? Überall sind Augiasställe auszumisten, wie schon die griechische Mythologie lehrt. Wo liegt denn die Grenze zwischen Geschenkt, Gefallen und Korruption? Bei mir hat’s noch niemand versucht, dafür wurde ich mit Klagen und Drohungen überschüttet. Hat auch nichts genützt, ich schreibe weiter auf Basis meiner Recherchen.

Hat Sie diesmal in Triest etwas besonders geärgert, weil Sie die Bande um einen faschistischen Stadtrat gar so leiden lassen?

"Mein" Stadtrat Tonino Gasparri ist eine Romanfigur mit ausreichend Vorbildern in der Gegenwart. Vorne im Buch steht ja schon, dass alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen blabla…. Triest steht als europäischer Schnittpunkt exemplarisch für andere Orte. Gasparri gibt sich übrigens nicht als Faschist, sondern steht in deutlich christdemokratischer Tradition ...

Und ihr habt in Triest tatsächlich einen Politiker, der Parkbänke abmontieren lassen will, damit kein Obdachloser auf ihnen schlafen kann?

Jaaa! Einen von der Lega. Er wollte auch, dass in den Kindergärten Essen von sogenannter fremder Abkunft verboten wird.

Keine Paradeiser mehr, keine Erdäpfel, Zwiebel, Knoblauch ...

... und keine Erdbeeren.

Der Koch in "Scherbengericht" hat die Macht übernommen. Was sagt Ihre Lebensgefährtin dazu? Immerhin ist Ami Scabar eine der besten Köchinnen Norditaliens. Spürt sie Macht?

Die Macht spür’ ICH ständig. Mit ihren Gerichten schafft sie es durchaus, mich zu korrumpieren. Und wenn ich einmal Lust auf Junk Food habe, dann muss ich anschließend lügen. Aber um Rat zu einigen Rezepten im Buch habe ich sie natürlich gefragt.

Der Krimi hält sich an den Spruch aus Star Trek, Rache soll kalt serviert werden..

Aristèides Albanese war im Alter von 37 Opfer einer Intrige, die ihn für 17 Jahre hinter Gitter gebracht hat. In einem Modellknast hat der talentierte Koch die Küche übernommen und sogar ein Restaurant eröffnet, das für die Außenwelt geöffnet ist. Er hatte genug Zeit, sich seinen Plan zurechtzulegen, mit dem er sich an jedem der zwölf Ungerechten rächt.

Commissario Laurenti bringt Sympathien für ihn auf.

Er schwankt zwischen professioneller Distanz und Sympathie, aus Abneigung gegenüber der Kaste und ihren Machenschaften, an den demokratischen Grundregeln vorbei sich Vorteile zu verschaffen.

Es wird ausgiebig und gern Nutella gegessen. Ohne, dass etwas passiert. Ist das Werbung? Bezahlte Werbung? Ist die Korruption in die Literatur vorgedrungen?

Natürlich ist das keine Werbung! Ich hatte soeben Besuch von einem Buchhändler-Ehepaar aus Klagenfurt, die mir von den Riesengläsern mit Schokocreme aus ihrer Kindheit erzählten: Schon früher hielt das süße Zeug als Medikament zur Heilung temporärer Niedergeschlagenheit her. In meinem Roman gibt es zahlreiche Protagonisten, die gar nicht genug davon essen können. Nein, es ist keine Werbung, sondern es ist eine Volksseuche.

Veit
Heinichen:

„Scherbengericht“
Piper Verlag.
336 Seiten.
22,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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