Bei Stephen King schlafen alle Frauen ein
Beim Abendessen fragte der jüngste King: "Dad, wie wär’s, wenn alle Frauen eines Tages einschlafen und nicht mehr aufwachen?"
Da antwortete der alte King: "Großartig! Eine großartige Idee. Daraus lässt sich so vieles machen. Wer wird denn dann den Männern die Hemden bügeln?"
Stephen King, 70, und sein Sohn Owen, 40, haben den eben erschienenen Roman "Sleeping Beauties" gemeinsam geschrieben. Angeblich jeder ein paar Kapitel, und heute wissen sie nicht mehr, was von wem stammt.
Mottenplage
Es sind fast 1000 Seiten geworden. Das ist zwar unmenschlich, aber möglich, wenn sich Autoren auch in das Nasenloch eines Psychiaters vertiefen, aus dem ein weißes Haar schaut.
Es ist das linke Nasenloch.
Und 70 Figuren spielen mit, da ist der alte Bewohner von Dooling, der seine Pflanzen mit einem Spritzmittel vor Wildverbiss schützt, noch gar nicht mitgerechnet.
Der Fuchs und die Ratten, die sprechen können, sind es ebenfalls nicht.
Motten schwirren durchs Buch, weltweit schlafen Frauen ein. Red Bull hilft nicht wirklich. Auch im Flugzeug schlafen sie ein, was bei einer Pilotin problematisch ist.
Die Pandemie wird von den Kings in einer Kleinstadt in West Virginia beobachtet. Im dortigen Frauengefängnis (wo die Insassinnen übrigens gern etwas von Joe Hill aus der Bibliothek holen, Hill ist der mittlere der drei King-Söhne) wurde soeben eine gewisse Evie eingeliefert. Sie hatte zwei Männer umgebracht und ein Drogenlabor in die Luft gejagt.
Obwohl sie ziemlich blass bleibt, ist Evie die allerwichtigste Person. Könnte sein, dass sie eine Göttin ist, denn während sie in der Zelle sitzt, spaziert sie als Ameise zum Weißen Haus und gibt als Tigerin Aufträge.
Man sieht: Das ist bunter, verspielter Horror. Möglicherweise hat Owen King für Frische gesorgt – sein erster Roman "Double Feature (2014) wurde noch nicht ins Deutsche übersetzt.
Das Märchenhafte hält sich allerdings in Grenzen, es gibt sehr wohl viel Blut und zerschossene Köpfe.
Die Frauen bilden vor dem Gesicht ein weißes Gespinst wie Watte. Einen Kokon, und den darf man nicht wegnehmen, denn die Frauen wollen nicht geweckt werden. Widrigenfalls rasten sie aus und murksen Ehemänner und Söhne ab.
Denn so schön ist die andere Welt, in der sie im Schlaf wandern. Besser als die alte, "in der die Männer das Sagen haben."
Ist es das, was Owen und Stephen King den Lesern sagen wollen? Dass es Frauen ohne Männer feiner haben?
Oder dass die Erde Ruhe braucht: Wenn es keine Frauen gibt, gibt es keine Babys, und wenn der letzte Mann gestorben ist, ist ... Frieden.
Stephen King antwortet in seinen Büchern nicht. Das macht er gern in Interviews, Reden, Zeitungskommentare. Zum Beispiel kam dort von ihm die Antwort: Reiche sollen mehr Steuer zahlen.
Und Präsident Trump sei ein Rassist ist mit dem Gemüt eines Dreijährigen ... Frage an Stephen King: 55 Romane und 200 Kurzgeschichten ... wie kommt man denn auf so viele gute Ideen?
"Ich kann Ihnen das schon verraten. Aber danach müsste ich Sie umbringen."
Stephen und Owen King:
„Sleeping Beauties“
Übersetzt von Bernhard
Kleinschmidt.
Heyne Verlag.
960 Seiten.
28,80 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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