Beethovenfries wird nicht restituiert

Die Stirnwand des Beethovenfrieses in der Wiener Secession. (Ausschnitt)
Das zentrale Kunstwerk Gustav Klimts bleibt im Eigentum der Republik. Der Beirat sah den "engen Zusammenhang" mit dem Ausfuhrverbot nicht gegeben.

Die Entscheidung war bereits einmal vertagt worden, zahlreiche Gutachter und Kommentatoren legten ihre Argumente - teils durchaus in kämpferischer Weise - vor. Der Kunstrückgabebeirat, der sich von all dem Getöse nicht beeinflussen lassen sollte, entschied am Freitag gegen eine Restitution von Gustav Klimts monumentalem Hauptwerk.

Beethovenfries wird nicht restituiert
ABD0146_20150306 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.r.n.l.): Die wissenschaftliche Koordinatorin Eva Blimlinger, Vorsitzender Clemens Jabloner und der administrative Leiter Christoph Bazil am Freitag, 6. März 2015, anl. eines Pressegespräches des Kunstrückgabebeirats nach einer Sitzung zur Causa "Beethovenfries" in Wien. Der Kunstrückgabebeirat empfiehlt keine Rückgabe des berühmten Beethovenfries von Gustav Klimt. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Das zentrale Thema bei der Entscheidungsfindung war - neben der Frage, ob überhaupt ein "Entzug" nach dem Gesetzesverständnis vorlag - der geforderte "enge Zusammenhang" zwischen dem für den Fries verhängten Ausfuhrverbot und dem Ankauf des Werks durch die Republik. "Dieser besteht nicht, weil - wie insbesondere aus dem Ministerratsprotokoll vom 23. Mai 1972 hervorgeht - das Ausfuhrverfahren nicht eingesetzt wurde, um mit diesem Druckmittel den Fries zu erwerben", heißt es nun in der Begründung des Beirats.

Darum geht es: Der Beethovenfries

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01_Beethovenfries, Raumansicht, Secession 2013, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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03_Beethovenfries, Mittlere Wand, Secession 2013, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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02_Beethovenfries, Raumansicht linke und mittlere Wand, Secession 2013, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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05_Beethovenfries, Genien, Secession, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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06_Beethovenfries, Ritter, Secession, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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07_Beethovenfries, Ausschnitt Mittlere Wand, Die feindlichen Gewalten, Foto Secession.jpg
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08_Beethovenfries, Nagender Kummer, Foto Secession.jpg
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09_Beethovenfries, Poesie, Secession, Foto Oliver Ottenschlaeger.jpg
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1972/'73 um 15 Mio. Schilling erworben

Die Republik hatte den Fries 1972/'73 um 15 Millionen Schilling erworben. Dem Kauf war eine lange Auseinandersetzung zwischen Lederer und österreichischen Behörden vorausgegangen. Erich Lederer – Sohn der Mäzene August und Serena Lederer – war von der NS-Verfolgung betroffen. Der Fries, der ab 1938 „sichergestellt“ worden war, wurde ihm 1950 offiziell zurückgegeben. Doch Lederer, der nach dem Krieg in der Schweiz lebte, durfte ihn nie ausführen. Während mehrere Ansuchen abgelehnt oder aufgeschoben wurden, verfiel das Bild zusehends.

Die Antragsteller argumentierten, dass die Republik Lederer zermürbte, bis er das Bild unter Marktwert verkaufte. Weil dies „kontinuierlich“ geschehen sei, sei auch der vom Gesetz geforderte „enge Zusammenhang“ zwischen Entzug und Verkauf gegeben. Dem gegenüber befanden Gegner der Restitution, dass die Republik unter Bruno Kreisky und seinem Berater Karl Kahane einen anderen Kurs eingeschlagen und die Zermürbungstaktik aufgegeben habe. Lederer sei über die Einigung, die die Restaurierung des Beethovenfrieses ermöglichte, erfreut, ja glücklich gewesen. Der Fries – 2,15 Meter hoch und 31,14 Meter lang – ist seit 1986 im Secessions-Gebäude am Wiener Karlsplatz ausgestellt. 75 Prozent der rund 100.000 Besucher pro Jahr suchen das Haus nur wegen dieses Werks auf.

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ABD0141_20150306 - WIEN - ÖSTERREICH: Der administrative Leiter Christoph Bazil (l.), Vorsitzender Clemens Jabloner (m.) und die wissenschaftliche Koordinatorin Eva Blimlinger am Freitag, 6. März 2015, anl. eines Pressegespräches des Kunstrückgabebeirats nach einer Sitzung zur Causa "Beethovenfries" in Wien. Der Kunstrückgabebeirat empfiehlt keine Rückgabe des berühmten Beethovenfries von Gustav Klimt. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Jenseits aller Befindlichkeiten musste die Kommission unter Vorsitz des Juristen Clemens Jabloner nach dem Gesetzestext entscheiden. Wie Eva Blimlinger, Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung, im Vorfeld erklärte, bemühte man sich auch, konsistent mit früheren Entscheidungen zu argumentieren. Der Beschluss wird auf der Website der Kommission veröffentlicht.

Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) hat sich gegenüber der APA erleichtert über die klare Position des Kunstrückgabebeirats gezeigt, keine Restitution des Beethovenfrieses aus der Secession zu empfehlen. "Ich habe vor dem Beschluss gesagt, dass ich mich an die Empfehlung halten werde - und das gilt natürlich jetzt genauso", unterstrich der Minister.

"Ich bin erleichtert, dass der Beschluss einstimmig erfolgt ist", unterstrich Ostermayer. Er habe sich den präzise begründeten Beschluss angeschaut und spreche den hochrenommierten Experten sein völliges Vertrauen aus. Es zeige sich, dass Österreich "ein extrem vorbildhaftes Rückgabegesetz" habe, an dem er auch sicher nichts ändern wolle.

Grüne: Entscheidung des Beirats zu respektieren

"Die Entscheidung des Kunstrückgabebeirats war in jedem Fall zu respektieren. Der Beirat genießt hohes Ansehen und ich gehe davon aus, dass er den Fall genauestens geprüft hat", meint der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl. "Damit ist die Sache für mich vom Tisch."

Erben-Vertreter will internationale Gerichte anrufen

Für Rechtsanwalt Marc Weber, der einen Teil der Erbengemeinschaft nach Erich Lederer vertritt, ist die Empfehlung des Kunstrückgabebeirats, den Beethovenfries nicht zu restituieren, "juristisch nicht haltbar". Weil der Vollzug des Kunstrückgabegesetzes "in mehrerlei Hinsicht gegen Grundrechte" verstoße, wolle man laut Aussendung nun "den Gang nach Straßburg und in die USA antreten".

Die Begründung des Beirats, eine Ausfuhr des Gustav-Klimt-Werks als Alternative zum Verkauf an die Republik sei möglich gewesen, sei "nicht nachvollziehbar und völlig abstrus". "Niemand hat Erich Leder jemals signalisiert, dass er den Fries ausführen hätte können, wenn er gewollt hätte. Meine Mandantschaft ist bestürzt, dass Bundesminister Ostermayer der unhaltbaren Empfehlung folgt", so Weber in seiner Stellungnahme. "Beim Beethovenfries handelt es sich geradezu um einen Paradefall dafür, dass der Verkauf eines Kunstwerks vom Bestehen eines Ausfuhrverbots abhängig war."

Mehrere Ansuchen der Erben an Kulturminister Ostermayer (SPÖ), in die Akten einsehen und Stellung nehmen zu dürfen, seien verweigert worden. "Wir fragen uns, ob hier etwas verheimlicht werden soll", so Weber. "Die Republik Österreich hat ihr Urteil gefällt, ohne den Betroffenen auch nur jemals eine Chance auf Akteneinsicht und Stellungnahme zu geben."

Weil diese Regelung im 2009 novellierten Kunstrückgabegesetz "den guten Geist des Gesetzes ad absurdum" führe und "klar den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit" widerspreche, plant Weber, "diese schweren rechtlichen Mängel vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg prüfen zu lassen". "Außerdem wollen wir auch Klagsmöglichkeiten ausschöpfen, die uns die US-Gerichtsbarkeit bietet."

Erben-Anwalt sieht "Stimmungsmache"

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APAHEF05 - 10122007 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA-TEXT II - (v.l.n.r.) Schauspielerin Michaela Rosen und Rechtsanwalt Alfred Noll anl. der PK von SOS-ORF und Film Austria ãSchluss mit dem GebuehrenschwindelÒ am Montag, 10. Dezember 2007, in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
RechtsanwaltAlfred Noll, der eine weitere Erbengruppe nach Erich Lederer vertritt, hatte zuvor gegenüber derAPAausgeschlossen, weitere juristische Schritte zu tätigen, "weil meine Mandanten keinen Rechtsanspruch darauf haben". "Die Republik hat es (das Kunstrückgabegesetz, Anm.) so geregelt. Entweder es wird Gnade gewährt oder nicht, und hier wurde eben keine Gnade gewährt."

Zeitgleich bekräftigte er die Forderung, dass die dem Beirat zur Verfügung stehenden Dossiers der Kommission für Provenienzforschung öffentlich zugänglich gemacht werden sollten.

Für Noll ist die Entscheidung des Kunstrückgabebeirats nicht nachvollziehbar. "Ich werte das so, dass die Stimmungsmache der letzten Tage den Beirat nicht ganz unbeeindruckt gelassen hat", sagte Noll.

Für ihn sei der vom Beirat ausgeschlossene kausale Zusammenhang zwischen dem Ausfuhrverbot und dem Ankauf des Frieses durch die Republik eindeutig gegeben. "Für mich ist dieser Zusammenhang aufgrund der Dokumente evident, wenn man diesen Zusammenhang nicht sehen will, dann sieht man ihn nicht", so Noll, der in einer Aussendung einmal mehr auf ein Ministerratsprotokoll vom Mai 1972 hinweist. Dieses weise eindeutig aus, dass die "seit 1950 über den Beethoven-Fries verhängte Ausfuhrsperre in ursächlichem und engem Zusammenhang mit dem Ankauf" stand.

Es stehe "außer Streit, dass der Beethovenfries rechtmäßig in das Eigentum der Republik gegangen ist". Wären die Erben keine Wiener, sondern etwa Amerikaner, könnte man wie bei Klimts "Goldener Adele" noch Klage bei einem amerikanischen Gericht einbringen, "aber das steht nicht an". "Schon längst" ausständig sei hingegen eine Entschuldigung der Republik an die Familie Lederer, mit der die Bundesregierung laut Beiratsvorsitzendem Clemens Jabloner "nach 1945 in schäbiger Weise" umgegangen sei. "Wenn die Entschuldigung kommt, dann ist das gut, und was Jabloner gesagt hat, ist ganz richtig, das hat aber keinen unmittelbaren Einfluss, um diese Sache hier zu bewerten", so Noll.

Belvedere stellt Standort Secession in Frage

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Wird vom Kuratorium unterstützt: Direktorin Agnes Husslein
"Wir begrüßen die Entscheidung, dass der 'Klimtfries' im Eigentum der Republik Österreich bleibt: Diese Arbeit Gustav Klimts zählt zu den Hauptwerken des Wiener Jugendstils und sollte daher in Wien der Öffentlichkeit zugänglich bleiben", soAgnes Husslein-Arco, die Direktorin des Belvedere, zu dessen Sammlungsbeständen der Fries zählt.

"Gerade in kunsthistorischer Hinsicht aber ist der derzeitige Aufstellungsort problematisch, weil nicht authentisch", so Husslein-Arco weiters. Sie sieht diverse konservatorische Gefährdungspotentiale für den Fries, die jüngste Untersuchungen aufgezeigt hätten. Daher plädiert die Belvedere-Chefin für eine "Vertiefung der naturwissenschaftlichen Erkundung der materiellen und technischen Komplexität des Kunstwerks" und für ein permanentes Zustandsmonitoring.

(APA, red., tem)

Der Beethovenfries wird also nicht zurückgegeben. Die Entscheidung hat sich abgezeichnet - es war nicht der vom Kunstrückgabegesetz geforderte unmittelbare Zusammenhang mit einem Ausfuhrverbot gegeben. Die Entscheidung folgt naturgemäß den rechtlichen Vorgaben.

Ein Grund zur Freude? Nein. Natürlich wurde Erich Lederer von der Republik Österreich über Jahrzehnte übel mitgespielt. Dass Bruno Kreisky hier eine Kursänderung vorgenommen hat und zuletzt doch eine gütliche Einigung zu Stande kam, ist für den Resitutionsfall rechtlich entscheidend. Darüber kann man sich auch nachträglich freuen.

Vergangenes Unrecht lässt sich aber nicht so einfach aus der Welt schaffen, Triumphgeheul ist hier fehl am Platz - dazu ist die Geschichte des österreichischen Umgangs mit Raubkunst bis in die 1990er zu bedrückend.

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