Barzilai: "Die schöne Kultur der Juden zeigen"

Barzilai: "Die schöne Kultur der Juden zeigen"
Shmuel Barzilai, seit 1992 Oberkantor von Wien, spricht als vielseitiger Sänger auch ein nichtjüdisches Publikum an.

Ein Mann mit vielen Talenten. Und eine Stimme, auf die man hört. Shmuel Barzilai ist seit genau 20 Jahren Oberkantor der Wiener jüdischen Gemeinde. Die "schöne Kultur der Juden zu zeigen", ist ihm ein wichtiges Anliegen.

Der Absolvent des Instituts für Musik und kantoralen Gesang in Tel Aviv gilt als einer der besten "Chasanim" – Vorsänger und Vorbeter – der Gegenwart. Aber was tut ein Kantor? "Er leitet den Gottesdienst und bringt die Gebete aller als Bote zu Gott. Das macht er mit Musik", erklärt Barzilai seine Funktion als Künstler und Seelsorger in einer Person. "Der Kantor besingt die Liebe zu Gott, er betet zu Gott mit seinem Gesang. Er muss, um seine Aufgabe zu erfüllen, über dreierlei verfügen: eine schöne Stimme, eine gute Interpretation und Neschome – viel Gefühl."

 

Vielseitig

Aber der Kantor singt nicht nur in der Syna­goge, sondern nimmt auch an Hochzeiten, Begräbnissen und offiziellen Veranstaltungen teil – wie an Gedenkfeiern oder an der Vorbereitung der Buben zu ihrer Bar-Mizwa-Feier, wo sie aus der Thora lesen sollen.

Als lyrischer Tenor hat Barzilai von liturgischer Musik über jüdischen Soul, chassidische und Klezmer-Lieder bis hin zu Opern- und klassischer Gesangsliteratur ein ungewöhnlich breites Repertoire.

Er kennt sich aus mit der geheimnisvollen Trauer und Süße in der Musik, die zu Tränen rühren kann und unmittelbarer Ausdruck einer jüdischen Musiktradition ist: der ornamentreichen Gesangsstile, wie sie in den Synagogen Osteuropas gepflegt wurden.

Er ist mit chassidischen Liedern und Gesängen, mit einem Mix aus jiddischer, jüdischer, populärer Musik und Klezmer ein gern gesehener Gast auf Festivals in ganz Europa. Denn er pflegt neben seiner Liebe zur liturgischen kantoralen und jüdischen Musik ein Faible für die Klassik. Für Opern­arien.

Der Kantor mit dem feinen tenoralen Timbre, eigentlich ideal geeignet für eine Karriere als Opern- oder Operetten­sänger, singt zwar vor allem in der Synagoge, könnte aber auf jeder Bühne der Welt auf­treten – etwa auch mit neapolitanischen oder griechischen Liedern.

Tradition – neue Wege

Welche Aufgabe hat Musik? Barzilai versucht, "die jüdische Tradition hoch zu halten. Dieses Ziel kann ich über die Musik viel besser erreichen als über alle anderen Wege. Das kann ich, das ist meine Berufung."

Gepflegt wird die Tradition. "Aber man muss auch neue Wege beschreiten, die Leute motivieren und neugierig machen auf andere Melodien", so Barzilai. Vieles ist zwar strikt vorgegeben, aber daneben gibt es Raum für Interpretation, so wird vieles offen gesungen.

Er setzt seine Musik u. a. mit den Wiener Philharmonikern, den Wiener Sängerknaben und seinem Freund Paul Gulda bei Projekten ein, die sich um ein interkulturelles Miteinander bemühen. "Ich bin kein Politiker, will auch keiner sein, aber Kultur bringt die Menschen zueinander", sagt Barzilai.

Ein Liedtext von Rabbi Nachman aus Bratslav wurde ihm zur Lebensweisheit: "Die ganze Welt ist eine schmale Brücke und das Wichtigste ist, dass man keine Angst hat, weiterzu­gehen."

Barzilais CDs wie "Sound of Prayer" (2008) und "Song and Prayer" (2010) und Konzerte finden auch Interesse beim nichtjüdischen Publikum: "Da fühle ich mich wie ein Brückenbauer, um die jüdische Kultur weiterzugeben und Menschen aus verschiedenen Religionen zusammenzubringen."

Am 15. 11. gibt Barzilai mit dem Klarinettisten Hannan Bar Sela und Schauspieler Kurt Sobotka ein Konzert im Akzent: "Jiddische Neschome – Jüdische Seele".

INFO: "Jiddische Neschome", Shmuel Barzilai & Friends, 15. 11. (19.30 Uhr), Theater Akzent, 4, Theresianumg. 18, Karten  01/501 65 33-06

www.jiddischerkulturherbst.at

Zur Person: "Es gibt Lieder, die einem zu Herzen gehen"

Barzilai: "Die schöne Kultur der Juden zeigen"

Sein Motto: "Denke gut, und es wird gut!" Shmuel Barzilai, Jahrgang 1957, in Jerusalem als Sohn einer bekannten Kantorenfamilie geboren, bekam seine Grundausbildung vom Wiener Kantor Zalman Polak. Der Absolvent des Instituts für Musik und kantoralen Gesang in Tel Aviv, seit 1992 Oberkantor der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, musizierte in Europa, Israel und den USA und geht mit dem "Jerusalem Great Synagoge Choir" jährlich auf Europa-Tournee. Beim Gedenkkonzert "Mauthausen 2000" sang er, begleitet von den Wiener Philharmonikern, das Totengebet "El Maleh Rachamim". Er war Berater für jüdisches Ritual, u. a. im Theater an der Wien für "Anatevka" und in der Staatsoper für "La Juive".

Sein Repertoire umfasst liturgische kantorale Musik, jüdischen Soul, chassidische Klänge und Klezmer, israelische Lieder sowie Opernarien, am liebsten "Lieder, die einem zu Herzen gehen".

Barzilais neue CD "A New Light" ist die letzte einer Serie von drei Aufnahmen gleichen Stils – mit einer eigenen Komposition und einer des bekannten chassidischen Komponisten Ben Zion Schenker aus New York.

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