Barbaren im Krieg gegen die Kultur

Statue in Palmyra
Räuber nutzen die instabile Lage im Nahen Osten und plündern das kulturelle Erbe. Sammler im Westen unterstützen so unfreiwillig die Terroristen.

Es geht um Geld. Sehr viel Geld. Und blinde Gier. Durch kriegerische Konflikte, Raubgrabungen und Diebstahl kommt viel antike Kunst in Umlauf. Der Handel mit illegalen Antiken floriert und ist in den letzten Jahren geradezu explodiert: Von der UNESCO geschätzte sechs bis acht Milliarden Euro werden pro Jahr mit dem Verkauf solcher Kulturgüter weltweit umgesetzt. Objekte aus Ägypten, Syrien und dem Irak sind sehr gefragt.

Kein Kavaliersdelikt

Räuber, Schmuggler, Sammler und Galeristen bilden dabei eine mächtige Allianz. "Mehr staatliche Kontrolle des Kunsthandels" wünscht sich deshalb der Autor Günther Wessel, der "das schmutzige Geschäft mit der Antike" in einem Buch beschreibt.

Am illegalen Handel seien etwa in Syrien alle Kriegsparteien beteiligt – außerdem mittlerweile auch die Terrormiliz "Islamischer Staat", die zunächst mit der Zerstörung von Kulturgütern prahlte, aber mittlerweile den Antikenhandel als Einnahmequelle entdeckt hat. Wessel: "Ein klares Indiz dafür sind viele Objekte, die auch aus dem Museum in der vom IS besetzten Stadt Mossul am Markt aufgetaucht sind."

Unklare Herkunft

Vieles davon findet sich später in Katalogen renommierter Auktionshäuser, meist getarnt mit falschen Provenienzen, etwa mit dem die wahre Herkunft verschleiernden Hinweis "aus einer alten Sammlung".

In Syrien ermutigen islamistische Gruppen die lokale Bevölkerung, Ausgrabungen zu machen. Die Plünderer zerstören "unsere Wurzeln, unser Geschichte, unser Gedächtnis", klagt Maa- moun Abdelkarim. Der Direktor der syrischen Antikenbehörde hofft auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.

Im Irak wird seit rund 25 Jahren systematisch geplündert – auch durch kriminelle Gruppierungen. Ein Zentrum illegaler Ausgrabungen ist Ägypten. Geplündert wird fast überall zwischen Assuan und Alexandria. Dort haben sich die Raubgrabungen seit dem Arabischen Frühling 2011 vervierfacht. Zurück bleiben riesige, leer geraubte Kraterlandschaften etwa im Süden von Kairo. "Dort liegt ein Grabungshügel neben dem andern, überall liegen Knochen der Mumien", so Wessel, "es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld. "Dieser Ort war für bemalte Sarkophage bekannt, jetzt ist alles weg."

Gleichzeitig geht Kulturerbe und das Wissen um kulturelle Zusammenhänge unwiderruflich verloren. Vor Ort kennt man zwar die Preise für die im Westen begehrten Preziosen, aber weiß nichts vom Wert der Geschichte, die verloren geht.

"Solange der Handel die Gier von Personen und Institutionen nach stets neuen Objekten befriedigt und damit die Nachfrage nur noch mehr anheizen kann, ist ein Ende der schleichenden Auslöschung unseres gemeinsamen kulturellen Erbes nicht abzusehen", sagt Markus Hilgert vom Vorderasiatischen Museum im Pergamonmuseum in Berlin.

Höchstpreise

Die Preise für Funde aus Ägypten steigen seit den 70er-Jahren kontinuierlich und sind mittlerweile sehr hoch, sagt Salim Ikra, Archäologie-Professorin an der American University in Kairo.

Im November 2014 bot Cahn Auktionen in der Schweiz vier Kanopenkrüge aus Ägypten um 176.000 Euro an. Und für die etwa 4500 Jahre alte, 75 cm hohe Kalksteinstatue des Schreibers Sekhemka – versteigert vom Museum von Northampton bei Christie’s – bezahlte im Juli 2014 ein unbekannter Käufer 19 Mio. Euro.

"Objekte im Handel, die eindeutig ,weiß’ sind, bei denen also Fundort wie auch Eigentümerhistorie feststehen, gibt es wenige", schrieb der Spiegel vor Kurzem.

Grauer Markt

"Der Gebrauchtwagenmarkt ist seriös im Vergleich zum Kunsthandel. Das ist ein Dschungel", sagt Michel van Rijn, einst der meistgesuchte Kunstdieb der Welt, ehe er in den 1990er-Jahren die Seiten wechselte. "Viele wohlhabende Antiken-Liebhaber unterstützen mit ihrer Sammlerleidenschaft unfreiwillig Terrorgruppen wie den IS." Von einigen wenigen schwarzen Schafen, wie es sie in jeder Branche gibt, sprechen die Kunsthändler gern. Wessel erzählt indes von krummen Geschäften, etwa zwischen der Galerie von Fayez Barakat in Abu Dhabi, Verbindungen zur Galerie Phönix in Genf mit Aktivitäten in den USA, wo vor einigen Jahren die amerikanische Bundespolizei eine antike Stele beschlagnahmt hat, die an Ägypten retourniert wurde.

Barbaren im Krieg gegen die Kultur
Kunstraub

Für Wessel steht nach Recherchen in der Szene der hochpreisigen Antikenhändler fest: Hier ist eine "ganze Herde schwarzer Schafe" am Werk. Regierungen nehmen das Problem "immer noch nicht ernst", sagt auch van Rijn. "Die denken immer, das sei ein Spiel unter Reichen. Einer versucht den anderen zu betrügen. Das betrifft uns nicht. Aber es betrifft uns. Nicht nur, weil vielleicht Terror durch Antikenhandel finanziert wird. Auch weil Menschen ihre eigene Kultur und Identität zerstören."

Info: Günther Wessel: „Das schmutzige Geschäft mit der Antike – Der globale Handel mit illegalen Kulturgütern“ Ch. Links Verlag. 185 Seiten. 18 Euro.

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