Fernsehgeräte, die sich mit einem gerippten Gehäuse wie ein Automotor gerieren. Lampen, die wie Industriemaschinen aussehen. Stromlinienförmige Tischventilatoren, die so tun, als wollten sie den Davorsitzenden gleich in die Lüfte mitnehmen: Die Formenwelt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts quoll über von Versprechungen der Dynamik und Beschleunigung. Materiell umgesetzt wurden sie mithilfe des ersten rein synthetischen Kunststoffs, der in industriellem Maßstab Verwendung fand: Bakelit.
Für die Industriegeschichte ist der 1907 vom belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland patentierte Werkstoff zweifellos wichtig – den Wiener Galeristen Georg Kargl (1955 – 2018), der leidenschaftlich Gegenstände aus Bakelit sammelte, interessierte aber die kulturelle Komponente. Diese steht auch im Zentrum der Ausstellung, die 300 Objekte aus Kargls Besitz in einem eleganten Arrangement (Gestaltung: Mladen Bizumic) vorführt (bis 26.10.).
Form, Funktion, Fabrikation
Die Überzeugung, dass Ideen und Materialien nicht trennbar sind, lässt sich bei Kargl wiederholt finden – so ist seine weiterhin aktive Galerie in der Wiener Schleifmühlgasse Heimstatt für zeitgenössische Künstler wie Richard Artschwager oder Andreas Fogarasi, die Form-Inhalt-Korrespondenzen in ihren Werken ausloten. Noch vor Gründung dieser Galerie erarbeitete sich Kargl als Händler von Jugendstil-Objekten große Kenntnis der Kunst Wiens um 1900. Die dort maßgebende Idee des Gesamtkunstwerks, befindet MAK-Kurator Rainald Franz, spiegelte sich auch in seiner Faszination für Bakelit wider.
Ein Stoff für alles
Als „Material der 1000 Möglichkeiten“ wurde das extrem haltbare (und nicht recyclingfähige) Material nicht nur in Form von Thermoskannen, Aschenbechern oder Mixern zum gemeinsamen Nenner der Massenproduktion: Gerade die Leitmedien Telefon, Radio und Fernsehen erhielten durch das in wenigen, meinst dunklen Farben gegossene Bakelit eine Form, die durch Retro-Kultobjekte bis heute nachwirkt.
Das bekannteste Bakelit-Radio – den NS-Volksempfänger – zeigt die Schau nicht: Das moderne Versprechen, das sich in der Kargl-Sammlung abbildet, ist ein positives, optimistisches. Dass der Werkstoff auch giftige Dämpfe verströmt, wurde der Welt erst später bewusst.
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