Pete Doherty war tatsächlich in Wien

Pete Doherty bei einem Konzert im Juli
Pete Doherty wirkte im Gasometer wie ein Monolith aus den Anfangstagen der Rockmusik.

Ja, er war da! Pete Doherty ist tatsächlich Dienstagabend im Wiener Gasometer mit seinen Babyshambles aufgetreten. Auf Entzug war der berühmteste Süchtige Englands seit den diversen Absagen von Österreich-Shows in den vergangenen Jahren. Seither ist er verlässlicher, hat auf dieser Tour noch keinen Skandal geliefert.

Ganz nüchtern wirkt er in Wien aber nicht. Von Anfang an drückt die Band aufs Tempo. Da ist sofort so viel Spannung in der Musik, so ein deutliches Wollen, das gleich beim Intro mit dem großartigen „Delivery“ Lust auf Hüpfen und Toben macht. Ganz im Gegensatz dazu steht aber das Erscheinungsbild von Doherty: Ohne Körperspannung steht er da, wirkt wie ein Betrunkener, dem alles egal ist. Gut, das kann antrainiertes Bühnengehabe sein, Posen, die dem 34-Jährigen in Dutzenden Jahren von auf Drogen gespielten Shows in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Und irgendwie passt die nonchalante „Ich pfeif auf alles“-Haltung auch zum Sound, der roh und schroff durch die Boxen kommt. Schade nur, dass die Band-Mitglieder vor lauter Vorwärtsdrang vergessen, aufeinander zu hören.

Denn das schmälert im Gasometer, was die Babyshambles auf Platte ausgezeichnet hat: Eine große Bandbreite von Stimmungen und Rhythmen, die von Reggae bis Polka, von Grunge-Rock bis zu infernalischen Metal-Tönen reicht, von zarten Gitarren-Passagen bis zu melancholischen Keyboards. All das immer gepaart mit einfallsreichen Melodien und poetischen Texten, in denen Doherty seine Seele blank legt.

Anfangstage der Rockmusik

Durch die unpräzise Interpretation aber ist der intime, bewegende Charme von Alben wie „Sequel To The Prequel“ und „Shotter’s Nation“ im Gasometer wie weggeblasen. Der wird live durch eine rotzige Rock-Attitüde ersetzt, ein „Wie es kommt, so kommt’s“, das in der Zeit von exakt durchorganisierten Shows wie ein Monolith aus den Anfangstagen der Rockmusik wirkt. Aus Zeiten, als das noch kein Business war, sondern ein lustvoll anarchistisches, unvorhersehbares Drauflos.

Doherty neckt minutenlang einen seiner Roadies, holt sich Freunde auf die Bühne und spielt nach den furiosen Zugaben mit „Albion“ und „Fuck Forever“ noch ein kurzes improvisiertes Keyboard-Solo.

Eine Schreck-Viertelstunde gibt es, als Doherty einen Becher auf die Stirn geschossen bekommt, danach (nach nur 45 Minuten) abgeht und eine gefühlte Ewigkeit nicht wieder kommt. Nach anfänglichem Jubel und Zugabe-Geschrei gibt es bald Pfiffe. Jeder denkt, das ist ein Abbruch. Aber die Babyshambles kommen doch wieder und legen in der Energie bei den fünf Zugabe-Songs noch einen Gang zu.

So macht das Konzert trotzdem Spaß. Denn obwohl die Babyshambles in Wien – wenn man die Augen schließt und sich nur auf die Musik konzentriert – wie eine schlecht eingespielte Schülerband bei der Probe klingen, hat es trotzdem Charakter, Flair und Feuer.

KURIER-Wertung:

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