Austropop-Veteran Wilfried: "Ein Kämpfer war ich schon immer"

Wilfried Scheutz
Wilfried über Krankheit und Kreativität, "Gut Lack" und seine Wut über die Wutbürger.

Abends im Bühnenwirtshaus in Pressbaum. Besuch bei Wilfried Scheutz. "A bisserl was geht immer" ist im Moment das Motto des einstigen Vorreiters der "Neuen Volksmusik": "Es bleibt mir auch nichts anderes übrig, weil ich nicht wahnsinnig gesund bin."

Was stark untertrieben ist. Seit seiner Kopfoperation im Herbst "ist alles zehn Mal so arg. Alles stößt an die Lebensgrenzen. Es blitzt überall." Und mündet in die Erkenntnis: "Das Schicksal ist ein wildes Ereignis."

Live spielen "geht sich im Moment nicht aus" für ihn. Aber ein starkes Lebenszeichen ist sein neues Album "Gut Lack" (ab Mitte Juni im Handel), vielleicht noch mehr Statement als die mehr als ein Dutzend Platten davor.

Ein Vermächtnis

Unmittelbar greifbar und lebendig. Abgeklärt? "Sicher. Ich bin ja jetzt in einer abgeklärten Phase." Der Titel "Gut Lack": eine Anspielung an die Vorfahren viel später etablierter Kraftausdrücke wie Geil, fett, urig, cool …

"In meiner Jugend kam man aus dem Kino und sagte im Halbstarkenjargon: Der Film hat einen Lack", sagt Wilfried im KURIER-Gespräch. "Und darauf habe ich ein Lied gemacht."

"Kein Thema" klingt wie eine intensive Morgendepression, entstand tatsächlich um halb fünf Uhr Früh, als es draußen geschüttet hat wie net g’scheit. "Was ist das jetzt für ein Zustand? Perfekt, um einen Text zu schreiben", dachte Wilfried. "Aber worüber? Da habe ich die Urversion ins Handy geraunzt: I hab kein Thema für dieses Lied, was soll das werden, was mir da blüht ..."

Wilfrieds Sohn Hanibal, u.a. mit seiner Band 5/8erl in Ehr’n erfolgreich und vom Papa, dem Goiserer, gern salopp als "halber Slowene" vorgestellt, und der Brasilianer Carlos Barreto-Nespoli haben daraus eine Rocknummer gemacht. Und auch sonst dem Album den richtigen Glanzlack verpasst, um im Sprachbild zu bleiben.

"Die beiden waren eine Riesenbereicherung. Aber das wissen einige Leute von einigen Parteien nicht, dass es das Wertvollste ist, was man kriegen kann, wenn von außen ein bisschen was reinkommt", sagt Wilfried.

Und wundert sich: "Unglaublich, was die aus mir herausgekitzelt haben beziehungsweise nicht zugelassen haben von meinen alten Marotten. Dass man sogar irgendwann einmal aufhört, nur wie der Wilfried zu singen. Sie haben mich gefördert und gefordert. Aus der Reserve gelockt."

Das Gespräch führt in die Vergangenheit. Aber es ist kein Blick zurück im Zorn, wenn sich der "Gstanzlmensch aus dem Salzkammergut" (Wilfried über Wilfried) an die Zeit erinnert, als ihn Hits wie "Mary oh Mary" oder "Ziwui ziwui" zu einem Pionier der "Neuen Volksmusik" gemacht haben, die unüberwindbar scheinende Gräben zwischen Volksmusik, Pop und Rock überwand.

"Ich wurde irre angefeindet. So, wie sie Hubert von Goisern und Broadlahn 20 Jahre später die Teppiche ausgerollt haben für die große Erfindung, so haben sie mich geprügelt, weil die Wiener Journalisten bis heute den Unterschied zwischen Musikantenstadl und richtiger Volksmusik nicht erkennen. Das eine ist echt, und das andere ist falsch."

Als erster Sänger bei der Ersten Allgemeinen Verunsicherung war er "dabei, als wir noch kein Geld verdient haben. Aber ich habe dann ganz bewusst aufgehört, als es genug war. Irgendwie passt das auch zu mir."

1988 kam Wilfried mit dem Song "Lisa Mona Lisa" beim Grand Prix d'Eurovision auf den letzten Platz: "Ich war auch nicht gut dort. Das war nicht meins! Ich war schrecklich. Es war schrecklich. Alles war schrecklich. Dazu kam noch die Waldheim-Geschichte. Es gab nur zwei Interviews: Céline Dion, die gewonnen hat, wurde von einer englischsprachigen Zeitung zum Singen interviewt. Ich zu Waldheim."

Wie sieht Wilfried den ESC-Gewinner 2017, den Portugiesen Salvador Sobral? "Der ist ein Geschenk. Das ist wilder Jazz, irrsinnig schwer zu singen, aber unglaublich gut. Das ist zwar kein Lied, das einen Aufbau hat. Aber das Lamento hat mich von der ersten Sekunde an berührt. Dass so etwas dann den Songcontest sprengt, ist bemerkenswert. Dass so etwas ganz anderes dann doch immer wieder auch eine Chance hat."

Zurück zum heute

Wilfried hat eine Wut auf die Wutbürger: "Ein sehr interessantes Phänomen, am Anfang dachte ich: Endlich hauen die Leute einmal ordentlich auf den Tisch. Aber was ist daraus geworden? Jeder Trottel haut auf den Tisch, ohne sich zu informieren, und schreit, bevor er überhaupt überrissen hat, was gemeint ist. Diese Entwicklung ist eine totale Katastrophe."

Ausklang auf dem Album "Gut Lack", für das der späte Johnny Cash Inspiration war: "Was wird?" schlurft langsam daher, gibt den Gedanken Raum. Wilfried zur Story des Songs: "Es passiert etwas, und du musst wissen, wenn das passiert, dann ist alles anders."

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