Die Albertina zeigte erstmals auch ihre kreisrunden Porträts von Augen, die auf eigenen Fotografien basieren. So genau hat man Pupillen, „captured on paper“, wohl nie zuvor betrachtet. In der Jurybegründung für den Würdigungspreis des Landes Steiermark im Jahr 2018 an Sonja Gangl heißt es, dass sich diese den Luxus leistet, dort zu zeichnen, wo anderen das fotografische Abbild genügt.
Mittlerweile muss es eine beachtliche Serie dieser Augen geben – wie es ja auch eine riesige Serie an Film-Enden gibt. Eine Auswahl von 30 kleinformatigen Bleistiftzeichnungen, alle gleich gerahmt, ist derzeit im Grazer Künstlerhaus zu sehen. Sie birgt die eine oder andere Überraschung. Denn Gangl porträtierte nicht nur die Augen von Frauen, Männern und Kindern, sondern auch von Tieren (Zebra, Papagei, Krokodil, „Mutzl“ und so weiter). Da lässt sich gut rätseln, sinnieren und dem Vis-à-vis zuzwinkern: „Ich seh dir in die Augen, Kleines!“
Kuratorin Jana Franze gestattet sich in der Ausstellung „I borrowed optimism from the past“ noch einen zweiten Rückgriff auf die Vergangenheit: Gleich im Foyer hängen zwei schlanke Zeichnungen, die sich vom Format her auf Stillleben des spanischen Barockmalers Juan van der Hamen y León beziehen. Sie haben aber keine Blumenvasen zum Inhalt, sondern den Verpackungsmüll unserer Zeit, etwa aufeinandergeschichtete Kartons. Dass Franze diese Arbeiten als Ausgangspunkt genommen hat, erscheint logisch. Denn Sonja Gangl wollte, aufgefordert von Direktor Sandro Droschl, etwas Neues versuchen – mit dem geliehenen Optimismus der Vergangenheit: Sie zeigt im Hauptraum 14 durchnummerierte Arbeiten, die den Titel „Supra-Linien“ tragen.
Auch sie stehen über das Format in direktem Bezug zu einem Kunstwerk – in diesem Falle aber aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die „Vorbilder“ stammen u.a. von Mark Rothko, Franz Kline, Barnett Newman und Lee Krasner.
Formal geht Sonja Gangl ihren eigenen Weg der Abstraktion: Sie blies riesengroß die zeichnerischen „Notizen“ über die Beschaffenheit ihrer Bleistifte, deren Stärke und Weichheit, auf. Der Gag ist, dass sie diese „Kritzeleien“ nicht nachgezeichnet, sondern unglaublich naturalistisch gemalt hat. Wenn man ganz nahe an diese Acrylgemälde herantritt, sieht man die fast pointillistische, ungemein aufwendige Technik.
Ergänzt wird die bis 2. April laufende Ausstellung noch durch eine Doppelreihe Schaukästen mit präparierten Stubenfliegen (jede ist anders) – und zumindest einem Farbklecks: Drei Gemälde veranschaulichen drei Rottöne. Das Bezeichnende ist mithin zugleich das Bezeichnete.
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