Ausstellung "Herkules der Künste": Der Superheld aus der Rossau
Dass sich erfolgreiche Unternehmer gern mal als Superhelden inszenieren, weiß das Publikum des 21. Jahrhunderts von Tony Stark alias „Iron Man“ oder Bruce Wayne alias „Batman“. Und vielleicht auch von Elon Musk, diesem seltsamen Mister X.
Dass das Muster Vorläufer in der Barockzeit vor rund 300 Jahren hatte, macht die Sonderausstellung deutlich, mit der sich das Gartenpalais Liechtenstein ab 16. 2. zum dritten Mal bei freiem Eintritt für eineinhalb Monate öffnet – ein voller Museumsbetrieb in dem Prachtbau im 9. Wiener Bezirk stellte sich ja als unwirtschaftlich heraus, wobei Führungen nach Buchung weiterhin angeboten werden.
Ein wirtschaftlich denkender Mensch war jedenfalls Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein (1657–1712), der sich gern mit Herkules identifizierte: Das enorme Deckengemälde im zentralen Saal erzählt in den seitlichen Teilen einzelne Taten des antiken Halbgotts, während in der Mitte seine Apotheose, also der Eintritt in die Götterwelt, dargestellt ist.
Fürstlicher Held
Wie der seit April des Vorjahres amtierende Sammlungschef Stephan Koja ausführt, war die Anlehnung an den Herkules-Mythos in jener Zeit sehr verbreitet. Man symbolisierte seine Loyalität mit dem Kaiserhaus, den Dienst an der Allgemeinheit und eine gewisse Demut, so Koja: „Der Fürst ist nicht perfekt, sondern muss durch Taten einen Prozess durchlaufen, der ihn würdig macht, in den Olymp aufgenommen zu werden.“
Olympische Ansprüche hatte Johann Adam Andreas gewiss: Mit wirtschaftlichem Geschick und dem Erwerb ökonomisch ertragreicher Gebiete wandelte er das schuldenbeladene Erbe seines Vaters in großen Reichtum um. Und weil ihn dieser allein noch nicht zum Mitglied der „Reichsfürstenkammer“ machte, erwarb er die Herrschaften Vaduz und Schellenberg, somit das heutige Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein.
Doch es ist der nunmehrige 9. Wiener Gemeindebezirk, in den sich das ökonomische und mäzenatische Wirken des Fürsten sichtbar ins Ortsbild eingeschrieben hat. Denn nicht nur das Palais und die Parkanlagen standen im Liechtenstein-Besitz – im vorgelagerten Ortsteil Lichtental ließ Johann Adam Andreas I. auch ein Brauhaus errichten, das zu einem Motor der ökonomischen Entwicklung des Stadtteils wurde.
Für Bau und Ausstattung der Schlossanlage engagierte der Fürst zudem die besten Künstler und Handwerker – darunter viele Italiener, die damals die größte Migrantengruppe in Wien ausmachten und rund 10 % der Stadtbevölkerung stellten. Als der Hofkriegsrat Claudius du Paquier, der das Geheimnis der Porzellanherstellung aus Meißen heimlich in Erfahrung gebracht hatte, 1718 dann die zweite Porzellan-Manufaktur Europas gründete, ließ er sich in unmittelbarer Nähe des Liechtenstein-Palais nieder. Die Porzellangasse kündet noch heute davon.
Barockes Disneyland
Es ist das große Atout der Liechtensteinschen Sammlungen, dass sie in der Lage sind, solche Geschichten innerhalb der originalen Räume und Orte und anhand der originalen Kunstwerke zu erzählen.
Das meiste, was in der aktuellen Sonderschau gezeigt wird, wurde tatsächlich unter Johann Adam Andreas I. angeschafft – allen voran der sogenannte „Decius Mus“-Zyklus von Peter Paul Rubens, der eine etwas obskure Superheldengeschichte erzählt, in der es um die (später als vorbildhaft christlich gedeutete) Opferbereitschaft eines römischen Feldherrn geht.
Als der Fürst die Bilder von einem Händler angeboten bekam, galten sie noch als Werke des Rubens-Schülers Van Dyck, heute darf man die Dramatik der in der Schlacht dargestellten Körper als herausragende Beispiele der Meisterschaft Rubens’ bewundern. Die Sonderschau wurde extra um einen Saal im Obergeschoß erweitert, um die großformatigen Highlights zeigen zu können.
Zeitgeschmack
In der barocken Bibliothek und den Räumen im Erdgeschoß vermittelt das Team um Stephan Koja – es ist die erste Ausstellung, die der nach Wien zurückgekehrte Ex-Direktor der Dresdner Gemäldegalerie verantwortet – dazu intimere Einblicke in die Bau- und Sammellust des Fürsten. Bei aller barocken Repräsentation ist die Schau kaum jemals überladen, sieht man von jenem Raum ab, in dem Gemälde nach der damals üblichen Art – dicht an dicht bis unter die Decke gehängt – präsentiert werden. Meisterwerke wie „Der Blindensturz“ von Lucas Valckenborch (nach dem Vorbild Pieter Bruegels) oder Van Dycks „Hieronymus“ stechen aber auch hier hervor.
Doch es waren eben nicht nur die flämischen Meister, die es Johann Adam Andreas angetan hatten: Immer wieder blickte er nach Italien, förderte bestimmte Künstler und setzte sie auch als Agenten für Kunstankäufe ein. Für seine fürstliche „Mustersiedlung“ im 9. Bezirk, die damals von Bächen und Wiesen durchzogen war, dürften arkadische Ideal-Landschaften als Vorbild gedient haben.
In den großformatigen Bildern des Malers Marcantonio Franceschini winden sich idealisierte Frauenkörper in solchen Szenarien, die Nymphen der Jagdgöttin Diana darstellend. Die unmittelbare Körperlichkeit, die der Fürst an Rubens schätzte, vermisst man bei ihnen. Was man aber sieht, ist die Anatomie eines Kulturtransfers, ohne den Wien und Europa heute wohl anders aussähen.
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