Auslachen funktionierte nicht

Das letzte Buch von Péter Esterházy, der seine Krankheit nicht dämonisierte.

Mutzi wusste es besser: Mit seiner Heiterkeit kann er einpacken.

Der Ungar Péter Esterházy aber dachte: Die Kommunisten sind ja auch durch das Lachen besiegt worden, durch das Auslachen, und das muss doch wohl mit dem Krebs genauso funktionieren ...

Esterházy starb im Juli 2016, er war eben erst 66 Jahre alt geworden, für den Literatur-Nobelpreis hätte er einige Jahre älter werden müssen.

Von Mai 2015 bis März 2016 schrieb er "Bauchspeicheldrüsentagebuch". Es ist das letzte Buch von ihm geworden.

Seinen Krebs nannte er Mutzi. "Ob Mutzi wohl weiß, dass sie mir nach dem Leben trachtet?" Manchmal wird die Krankheit auch zur Bauchspeicheldrüsenfee oder zum Fräulein oder "meine Kleine". Er notierte Späße wie: "Kanüle, Kanüle, sag mir, wer ist der Schönste im Land?"

Und beschrieb seine "Onkoidylle" derart: "Ich schlürfe meinen Lebertee."

Über das Mittagessen, das im Spital serviert wurde, während er Chemotherapie bekam, steht im Tagebuch: "Armes Essen, es kann nichts dafür."

Auf Augenhöhe

Péter Esterházy – Graf und studierter Mathematiker und (u. a.) Träger des österreichischen Staatspreises für europäische Literatur – machte einfach weiter, so gut es ging. Bereitete die Veröffentlichung von "Die Markus-Version" vor ... mit jener Stelle:

"Ich bete, um zu glauben. Glaube ich."

Hielt Lesungen. Saß an der Schreibmaschine. Wozu ständig daran denken, was die Zukunft bringen wird? Die Gegenwart ist kompliziert genug.

Doch ging es ihm dabei nie darum, dem Bauchspeicheldrüsenkrebs auszuweichen. Er stellte sich. Er hängte sich in ihn (besser: in sie, die Mutzi) gewissermaßen ein, und wenn er manchmal das Wort an Gott richtete, dann auf Augenhöhe.

Der Krebs wurde nicht dämonisiert. Esterházys Gelassenheit (zumindest im Buch) und vor allem seine Ausgelassenheit sind beim Lesen schwieriger zu ertragen als Gejammer, als Selbstmitleid oder Anklage wie bei Elias Canetti, der den Tod verfluchte. Solches kam nicht von Esterházy. Es hätte nicht zu seinem Leben gepasst. (Einmal nur im Tagebuch nennt er den Krebs "blöde Gans".)

"Wie gern stürbe ich. Dieser Satz fiel mir beim Dösen ein, während ich an das verweigerte Mittagessen dachte ... Und sollte jemand mir diesen Satz zitieren, würde ich ihn sofort verleugnen. Ich? So etwas? Nie im Leben!"

Kurz bevor Esterházy die Diagnose bekam, gab er der Literaturwissenschaftlerin Marianna D. Birnbaum (University of California) ein langes Interview, in dem er seufzte: "Im Kreis meiner Bekannten/ Verwandten schlägt gerade der Krebs um sich. Warum glaubt man trotzdem, dass es nur für andere gilt?"Marianna D. Birnbaum: "Die Flucht der Jahre" Übersetzt von Lacy Kornitzer. Hanser Berlin. 159 Seiten. 20,60 Euro.

Péter Esterházy:

"Bauchspeicheldrüsentagebuch"

Übersetzt von György Buda. Verlag Hanser Berlin. 239 Seiten. 20,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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