Wobei es bereits seit der Uraufführung 1989 in London und 1991 in New York „Voraufführungen“ in 32 Ländern vor mehr als 36 Millionen Menschen gab. Zuletzt in Stuttgart, und mehrmals mit dem zum Großteil gleichen Kreativteam wie jetzt in Wien mit Regisseur Laurence Connor.
Die Österreichische Erstaufführung war bereits 2011 in Klagenfurt unter Stadttheater-Chef Josef Ernst Köpplinger.
Plakatiert ist das rührselige wie berührende Stück, eine Light-Version der Puccini-Oper „Madama Butterfly“ (1904), jetzt in Wien in verbaler Schieflage als „Die bewegendste Liebesgeschichte unserer Zeit“.
Wobei der Fall von Saigon 1975 am Ende des Vietnamkrieges doch wohl eher historisch als „unsere Zeit“ ist. Und hat Romeo und Julia die Welt nicht mehr bewegt als Chris und Kim?
Sei’s drum. Aktuell ist allemal die überstürzte Flucht der Amerikaner aus einem weiteren verlorenen Krieg in Afghanistan. „Die Idioten haben nichts gelernt“, findet Schönberg. So müsste man nur „zehn Worte ändern, und wir hätten „,Miss Kabul’“.
In Vietnam verlieben sich der naive US-Soldat Chris und das 17-jährige Barmädchen Kim ineinander. Doch das Glück hat keine Zukunft. Er flieht vor den Vietcong aus Saigon im Helikopter. Sie bekommt ein Kind von ihm. Er heiratet in den USA. Sie prostituiert sich in Bangkok.
Als sie sich nach drei Jahren wiedersehen, muss Kim erkennen, dass es für sie und ihr Kind Tam kein Happy-End geben wird. Die Geschichte endet tragisch – mit Kims Selbstmord.
Voll großer Melodien und Gefühle ist das Musical. Alles beruht auf drei Hauptdarstellern. Die Überraschung und der Star des Abends ist die junge Vanessa Heinz: Die Berlinerin studierte bei den Auditions noch an der Musicalschule in München und spielt jetzt auf großer Bühne mit großer Stimme überzeugend die schüchterne, liebende, fragile und doch innerlich starke Kim.
Der Niederländer Oedo Kuipers, Publikumsliebling seit seiner Rolle in „Mozart!“, hat hier einen undankbaren Part und wirkt am besten in den intimen Szenen zwischen Liebe und Verzweiflung etwa im Duett mit Kim bei der Ballade „Sonne und Mond“ oder „Die letzte Nacht der Welt“.
Hervorragend als schäbiger Nichtsnutz und schmieriger Zuhälter Christian Ray Marbella – „Ingeneer“ genannt: schon bei der Eröffnungsnummer „Die Nacht ist heiß in Saigon“ und vor allem beim aufreizend ironischen, mit Cadillac, Las-Vegas-Girls und „Lady Liberty“ illustrierten Showstopper „The American Dream“. Der ist hier kein schillernder Wunschtraum, sondern eine verbitterte Abrechnung mit der westlichen Welt, die ihm so viel versprochen und nichts gehalten hat.
Gino Emnes gibt schließlich einen robusten John, der als Soldat seine Pflicht tut und sich in der Arbeit für die Kinder warmherzig zeigt. Den Song „Bui Doi“, mit dem er auf das große Elend der Kinder aufmerksam macht, bringt er kraftvoll und empathisch über die Rampe.
Dem Publikum auch hierzulande zumutbar wäre die englische Originalsprache und somit entbehrlich die teils hölzerne deutsche Übersetzung von Michael Kunze, die das Qualitätsniveau von „Tanz der Vampire“ nicht erreicht. Zumindest die Songs, die man im Original im Ohr hat, hätte man gerne auch so gehört, wenn schon die Dialoge auf deutsch.
Tränen fließen. Die dramatische Love Story mit sehr emotionalen, bewegenden Liedern ist ein Must-See für alles Musical-Fans. „Miss Saigon“-Tickets sind auf Jö-Club-Card bereits mit 15 Prozent Rabatt zu haben. Am Ende stellt sich nur die Frage: Wann kommt von den Vereinigten Bühnen Wien wieder eine für den Export geeignete Eigenproduktion?
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