"Auf diesen Raketenstart hätte ich gerne verzichtet"

"Auf diesen Raketenstart hätte ich gerne verzichtet"
Erst zwei Wochen als Kulturminister im Amt, hat er die Feuerprobe schon bestanden. Im Interview erzählt er, wie er die Zukunft des Burgtheaters sieht.

KURIER: Herr Ostermayer, Sie sind seit zwei Wochen als Kulturminister im Amt. Für Ihr Krisenmanagement haben Sie viel Applaus bekommen. Auch wenn der Anlass bitter ist, war es ein Raketenstart für Sie...

Josef Ostermayer:
Ehrlich gesagt, hätte ich auf diesen Raketenstart gerne verzichtet. Jemand hat mir in den letzten Wochen gesagt, jede Krise ist eine Chance. Doch Chancen wie diese brauche ich nicht. Aber die Situation ist, wie sie ist. Ich bin überzeugt, in dieser schwierigen Woche die richtigen Schritte gesetzt zu haben.

Noch Anfang Jänner haben Sie Matthias Hartmann das volle Vertrauen ausgesprochen. Wie groß ist die Enttäuschung, wenn man acht Wochen später entdeckt, die Situation ist ganz anders, als die betroffene Person dargestellt hat?

Ich habe gesagt, dass ich grundsätzlich solange jemandem vertraue, bis das Vertrauen gebrochen oder missbraucht wird. Herr Hartmann hat mir in den letzten Wochen seine Sicht der Dinge dargestellt, dafür habe ich Verständnis. Als ich aber Montagabend das Rechtsgutachten erhielt, war klar, dass die Fakten eine andere Sprache sprechen. Es gab keine andere Möglichkeit als die fristlose Entlassung. Natürlich ist es enttäuschend, dass man so einen Schritt setzen muss und für mich war es keine angenehme Situation. Das 45-minütige Gespräch am Dienstag um 9.30 Uhr mit Herrn Hartmann war auch für mich persönlich belastend.

Belastend, weil Sie mit Matthias Hartmann eigentlich ein gutes Verhältnis hatten und noch im Jänner gemeinsam Aufführungen besuchten?

In den letzten Jahren habe ich mich mit Herrn Hartmann ein bis zwei Mal pro Jahr getroffen und wir führten immer interessante Gespräche. Aber darum geht es letztendlich nicht.

Warum haben Sie bei Georg Springer als Bundestheater-Holding-Chef den Teilrückzug akzeptiert. Haben Sie hier Milde walten lassen, weil Springer bald in Pension geht?

Das hat nichts damit zu tun, wie lange der Vertrag von Herrn Springer noch läuft. Das sind rechtlich zwei unterschiedliche Situationen. Bei Herrn Hartmann ging es um die Frage, ob er seine Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer wahrgenommen hat. Im Gutachten wurden eine Vielzahl von Unterlagen geprüft. Es ging daraus klar hervor, dass Herr Hartmann eine Gesamtverantwortung für eine GesmbH hatte und er diese Aufgaben nicht entsprechend wahrgenommen hat.

Was braucht das Burgtheater nun? Einen interimistischen Leiter, der aus dem Ensemble kommt, der die Sorgen genau kennt? Oder jemanden von außerhalb der Burg, der für Aufbruchsstimmung sorgt?

Das Hauptaugenmerk, das diese Person erfüllen muss, ist einerseits die Fähigkeit wieder Ruhe in die Burg hineinzubringen und auch die Kluft, die es zum Teil innerhalb des Ensembles gibt, wieder zu kitten. Andererseits muss diese Person mit dem Aufsichtsrat, mit der Holding und dem kaufmännischen Leiter die Budgets für die nächsten drei Jahre erstellen und die Lücke zur Vergangenheit schließen.

Wir brauchen jemanden, der eine gewisse Integrationsskraft besitzt. Ich bin aber nicht festgelegt, ob das eine Person aus der Burg oder jemand von außerhalb ist, der die Burg entsprechend kennt.

Wie lange wird diese Leitung dauern?

Wahrscheinlich wird es notwendig sein, zumindest bis zum Anfang des Spieljahres 2015/16 eine interimistische Lösung zu finden.

Wie soll es nun mit der Burg weitergehen, wenn es keine Finanzspritze vom Bund gibt?

Es gibt einen gewissen Zeitdruck bis Juni. Aber diese Zeit reicht aus, damit die Geschäftsführung, die Holding und der Aufsichtsrat der Holding intensive Gespräche in Ruhe führen können, wie man, ohne Schließtage einzuführen, eine Lösung findet.

Kann man das Sparpotenzial konkretisieren?

Es werden jetzt alle Potenziale durchdiskutiert: Wie viel Produktionen gibt es derzeit? Wie viele Produktionen macht man in Zukunft? Wie kann man die Kosten der Produktionen senken? Kann man sich den dritten Standort, das Casino am Schwarzenbergplatz, noch leisten oder muss man diesen Standort aufgeben?

Kann man das Niveau halten, wenn man bei den Produktionskosten sparen muss?

Alle Experten, die bis jetzt intensiv mit Theater befasst waren und mit denen ich gesprochen habe, haben mir versichert, dass es möglich ist, das Niveau zu halten.

Auch Staatsoperndirektor Dominique Meyer klagt über das enge Budgetkorsett und bei den Bundesmuseen schaut es detto nicht rosig aus. Rechnen Sie mit weiteren Krisen?

Ich habe volles Verständnis für die Direktoren, die vom Bund mehr Geld verlangen. Vor allem weil die Basisabgeltung in den letzten Jahren nicht angehoben wurde. Auf der anderen Seite herrscht seit 2008 durch die Folgen der Finanzmarktkrise eine schwierige Budgetsituation, die wir gut bewältigt haben. Natürlich wäre es schöner, wenn wir mehr Geld zur Verfügung stellen könnten, aber das ist nicht möglich. Ich habe es zumindest geschafft, dass das Budget im Kunst- und Kulturbereich im Gegensatz zu vielen anderen Ressorts nicht gekürzt wurde .

Wird das Publikum in Zukunft auf klingende Namen aus der Theater- oder Opernwelt verzichten müssen?

Nein, das Publikum wird nicht auf seine Stars verzichten müssen, weil die Verträge schon drei Jahre im Voraus abgeschlossen wurden. Dazu kommt, dass es für jeden Künstler ein Renommee ist, auf einer Wiener Bühne aufzutreten.

Zum Schluss eine Frage zu Werner Faymann. Man hört aus dem Umfeld des Kanzlers, dass er öfters klagt, nicht mehr jederzeit Ihren Rat einholen zu können ...

Ich gebe zu, unsere Verbindung ist jetzt etwas dislozierter. Wir sind nun räumlich 50 Meter auseinandergerückt, weil ich in einem anderen Haus sitze. Natürlich war die Kommunikation früher praktischer, als ich noch drei Zimmer weiter saß. Aber wir kommunizieren ständig über Handy.

Werden auch die Sitzungen unterbrochen, wenn der Kanzler Sie braucht?

Ja. Ich hatte am Freitag eine Besprechung, die ich gleich zwei Mal den Raum verlassen musste. Wir sind zwar räumlich auseinandergerückt, aber die Verbundenheit ist nach wie vor da.

Es sind die treuesten Burg-Besucher: Jene Abo-Besitzer, die am Freitag gekommen sind, um die zweite Vorstellung von Jahnns "Die Krönung Richards III." zu sehen. Sechs Stunden Castorf – trotz Frühlingswetters. Doch kurz vor Beginn bestätigen sich Gerüchte: Die Vorstellung ist abgesagt, mehrere Schauspieler hätten keine Stimme. Viele sind enttäuscht, einer spricht von "Kasperltheater".

Als ob das Haus nicht schon genug geplagt sei von den aktuellen Turbulenzen, ist wieder Krisenmanagement gefordert. Die Karten würden ersetzt, heißt es, zum kurzfristigen Trost hält Martin Wuttke eine Lesung aus Jahnns "Marmeladenesser". Ein Herr meint, er ziehe seinen Hut vor der raschen Reaktion. Er und seine Frau sind, wie rund 150 andere Theaterliebhaber, geblieben, um Wuttke zu hören. Sie mögen die Burg, "trotz allem". Den Ausfall des Stückes wollen sie nicht mit den Problemen im Haus verbinden. "Das ist etwas Schicksalhaftes".

Besonders unter Hartmann hätten sie das Theatergehen geschätzt. "Was uns geboten wurde – alle Achtung!" sagt sie. "Wir sind traurig." Ihr Mann hat "die Sorge, dass aus falsch verstandenem Sparsinn die Kunst mit dem Bade ausgeschüttet wird".

Heftig

Gegen Sparen ist auch eine andere Besucherin: "Was man im Theater beim Fenster rausschmeißt, kommt bei der Tür wieder rein." Sie plädiert für eine Zwischenlösung mit Karin Bergmann, "sie kennt das Haus". Auch sie war mit Hartmann zufrieden. "Aber wenn es für die Schauspieler so unerträglich war, kann ein Schnitt gut sein."

Ein weiterer Abonnent findet die Situation "schon heftig". Er kann sich vorstellen, "dass Hartmann speziell auf die künstlerische Linie geschaut hat und weniger auf die kaufmännischen Pflichten". "Mich wundert nur, dass sich Herr Springer so aus der Affäre ziehen kann", meint seine Ehefrau. Generell hofft man auf Kontinuität bei dem "super Ensemble".

Autor Franzobel hatte sich auch auf die Vorstellung gefreut. Er habe eben mit einem befreundeten Schauspieler telefoniert. "Er steht so neben den Schuhen, dass er gar niemanden sehen will. Es ist wahrscheinlich eine Stimmung im Angesicht einer Katastrophe". Nicht zuletzt diese Stimmung im Ensemble habe Hartmann das Genick gebrochen, findet er.

"Der König ist tot – es lebe der König", sagt ein Theater-Mitarbeiter, als sich die Tore schließen. Der Burg-Tanker wird in Bewegung bleiben. Ob es länger bis zum neuen "König" dauern werde als im alten Frankreich? Antwort: "Hier ist es etwas komplizierter als im Staat".

Wer folgt Hartmann als Interimsdirektor? Der Kulturminister führt laufend Gespräche mit Kandidaten, am Mittwoch wird die Entscheidung abgesegnet. Laut news soll Hermann Beil als Übergangsdirektor feststehen. "Mit ihm wurde gesprochen", heißt es aus dem Kulturministerium. "Aber mit anderen auch." Und: "Es gibt definitiv noch keine Zusage."

Der 72-jährige Wiener, Claus Peymanns engster Weggefährte, wäre eine realistische Variante. Allerdings sagte Beil schon einmal kurzfristig ab, als er zum Josefstadt-Chef designiert wurde.

Während die Suche nach dem Interimschef also ins Finale geht, gibt es neue Vorwürfe gegen Hartmann aus der Schweiz. Laut Tagesanzeiger hätte er möglicherweise im Sommer 2009 beim Wechsel vom Zürcher Schauspielhaus an die Burg die Steuerbehörden in der Schweiz und in Österreich getäuscht.

Konkret geht es um 233.000 Euro, die sich Hartmann von der damaligen Kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia Stantejsky für Vorbereitungsarbeiten auszahlen lassen habe. Die Burg ging davon aus, dass die Versteuerung in der Schweiz geschehen sei. Eine Ansässigkeitsbestätigung des Zürcher Finanzamts für Hartmann bis zum 20. Juli 2009 liege vor. Laut SN ist diese jedoch mit 24. 2. 2014 datiert: "Offenbar wurde sie erst jetzt und nach Berichten über fünf Millionen Steuerschulden nachgereicht, die genau wegen solch fehlender Steuerformulare drohen", so die Zeitung.

Am 20. Juli 2009 habe sich Hartmann beim Bevölkerungsamt der Stadt Zürich abgemeldet, "mit der Begründung: Wegzug nach Wien", so der Tagesanzeiger.

Die Honorarnote für die laut Hartmann-Anwalt Georg Schima in Teilbeträgen bar vorgenommenen Auszahlungen sei laut Presse jedoch erst fünf Wochen später ausgestellt worden – mit einer Zürcher Adresse, an der Hartmann nicht mehr gemeldet gewesen sei.

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