Auf allen Ebenen: Der Umbau des Burgtheaters ab Herbst 2019

Er kocht „mal eine neue Suppe auf“: Martin Kušej
Analyse. Martin Kušej macht seine Ankündigung wahr: Er rührt kräftig um; viele Mitarbeiter müssen gehen

Erst in einem Jahr, Anfang September 2019, wird sich Martin Kušej, seit 2011 Chef des Bayerischen Staatsschauspiels, als Burgtheaterdirektor vorstellen – mit mehreren großen Produktionen, darunter etlichen Übernahmen aus München. Doch bereits jetzt brauen sich über der Burg düstere Wolken zusammen. Denn Kušej macht seine Ankündigung, kräftig umrühren zu wollen, wahr. Es droht Ungemach – wie 1986, als Claus Peymann kam ...

Natürlich hatte es auch unter Achim Benning, Burgtheaterdirektor ab 1976, gute wie wagemutige Produktionen gegeben. Doch das Haus blieb eine Trutzburg bürgerlichen Kulturverständnisses. So kam es, von Helmut Zilk als SPÖ-Kulturminister in die Wege geleitet, zu einem Sturm auf die Bastille – mit Peymann als Revolutionär. Er rückte von Bochum aus mit einem Heer an Schauspielern an, um die Österreicher das Fürchten zu lehren. Ihre Kipferln mussten sie danach in der Josefstadt essen.

Peymann agierte ohne Rücksicht auf Verluste. Zu einer Kündigungswelle kam es allerdings nicht. Denn die Ensemblemitglieder waren zum Großteil pragmatisiert. Wer nicht eingesetzt wurde, ging eben auf Staatskosten spazieren. Erst in den letzten Jahren der Ära Peymann wurde offenbar, dass es so nicht weitergehen konnte. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, wurden die Bundestheater ausgegliedert; dieser Schritt ermöglichte den Abschluss neuer Kollektivverträge. Zudem hatten sich die „Piefke“, zu Publikumslieblingen avanciert, doch irgendwie eingefügt. Die Übergabe an Klaus Bachler, Direktor ab dem Herbst 1999, ging trotz neuer Organisationsform (als GmbH) recht cozy über die Bühne.

Matthias Hartmann, der Nachfolger, reiste 2009 zwar mit seiner erweiterten Familie an. Er bekannte sich zu Nepotismus, machte sich auf beschämende Weise über den großartigen Udo Samel lustig und er verlängerte Verträge nicht. Aber es kam zu keinem Kahlschlag. Jedenfalls nicht im bereits deutlich reduzierten Ensemble.

Und im März 2014, nach der Entlassung von Hartmann, wurde Karin Bergmann als Cleaner engagiert. Cleaner beseitigen die Sauereien. Und sie agieren äußerst souverän, wie Harvey Keitel zum Beispiel in „Pulp Fiction“ demonstrierte. Bergmann, mit Peymann an die Burg gekommen, trennte sich bloß von ein paar Hardcore-Hartmann-Freunden – und führte den Umschwung mit genau dem Team herbei, das sie vorfand.

Doch nun kommt Kušej – und er teilte bereits vielen Menschen in der Burg mit, auf sie zu verzichten. Sie haben ein Jahr Zeit, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen.

Drittel des Ensembles

Betroffen sein dürfte etwa ein Drittel des Ensembles, also 19 bis 26 Mitglieder, wie das Magazin profil kürzlich schrieb. Es nannte die Namen Christiane von Poelnitz, Aenne Schwarz, Fabian Krüger und Sven Dolinski. Gerüchteweise werden auch die Verträge von Petra Morzé, Stefanie Dvorak, Michael Masula und Peter Knaack nicht verlängert.

Man kann davon ausgehen, dass Kušej exzellente Kräfte aus München mitbringen und ehemalige Lieblinge, darunter Tobias Moretti und Birgit Minichmayr, fester ans Haus binden wird. Seine Personalpolitik verwundert dennoch. Denn mit Petra Morzé und Stefanie Dvorak, die als Mariedl in den „Präsidentinnen“ von Werner Schwab imponierte, eliminiert er zwei österreichische Schauspielerinnen. Und so viele, die des Deutschen in der Varietät Österreichisch mächtig sind, gibt es ja nicht (mehr) im Ensemble. Ein Grund dürfte vielleicht darin liegen, dass Kušej das Korsett eines Nationaltheaters endgültig abzulegen trachtet: Er träumt, wie man hört, von einem „europäischem Burgtheater“.

Ob Kušej aber die drohenden Konsequenzen mitbedenkt? Die wunderbare Nervenschauspielerin von Poelnitz beabsichtigt, Wien den Rücken zu kehren – samt den Kindern, die sie mit ihrem ehemaligen Partner Joachim Meyerhoff hat. Dies könnte bedeuten, dass auch Meyerhoff abwandert.

Kušej will aber nicht nur das Ensemble umbauen, er greift massiv in die Struktur ein. Das Dramaturgenteam (mit Hans Mrak, Florian Hirsch u.a.) unter der Leitung von Klaus Missbach dürfte komplett ausgetauscht werden; der neue Direktor wird u.a. seinen Chefdramaturgen Sebastian Huber, der bereits unter Bachler am Haus war, aus München mitbringen.

Verzicht auf Erfahrung

Zu seiner Stellvertreterin bestellte Kušej, wie News berichtete, seine bisherige Assistentin am Reinhardt-Seminar, Alexandra Althoff. Da Thomas Königstorfer bekannt gab, zurück nach Linz zu gehen, braucht es auch eine neue kaufmännische Geschäftsführung (die Ausschreibung wurde kurzfristig gestoppt). Das künstlerische Betriebsbüro mit den Disponenten soll umbesetzt und die „Offene Burg“, bereut von Renate Aichinger, geschlossen werden. Und selbst bei der Abteilung Presse und Kommunikation (mit Konstanze Schäfer und Angelika Loidolt) scheint Kušej keinen Wert auf Kontinuität oder Erfahrung zu legen. Schäfer ist seit dem Beginn von Bachler, 1999, im Burgtheater, sie besitzt ein enormes Hintergrundwissen. Als Nachfolgerin wird Sabine Rüter, Leitung Kommunikation und Marketing am Residenztheater, gehandelt.

Bergmann wie Schäfer wollten gegenüber dem KURIER zu den Gerüchten nicht Stellung nehmen.

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