Auch Notare haben Hobbys: Topfpflanzen ...

Autor Rene Freund
René Freund: Wandern mit einer Urne

Ein ideales Sommerbuch.

Nora wandert mit der Asche ihres Vaters durch Österreich, beginnend in der Wiener Troststraße, und es geht hinauf zum Schnee und Eis des Toten Gebirges.

Was will man mehr, wenn man selbst noch nicht ganz Asche ist?

René Freund hat, nach "Mein Vater, der Deserteur", etwas Fluffiges geschrieben. Ratschläge à la Paulo Coelho tauchen kurz auf und werden sofort mit Spott vertrieben – aber sie sind da, sie gehören dazu, das sieht man bereits am Titel "Niemand weiß, wie spät es ist", jaja.

Und dann kommen seltsame Wörter wie "böb" oder "blub" genau zum richtigen Zeitpunkt, sodass man sagen muss: Das ist ein äußerst amüsanter Roman.

Die paar Durchhänger sind nicht weiter schlimm, das ist halt so, wenn man viele Kilometer marschiert und völlig durchnässt ist.

Die Erbschaft

Nora muss marschieren.

Das verlangt das Testament ihres Vaters, der ein Deutscher war und Nora in Frankreich allein großgezogen hatte, denn seine Frau, Noras österreichische Mutter, die war bei einem Unfall jung gestorben.

Vater macht die Erbschaft – Geld und teure Pariser Wohnung – davon abhängig, dass sie seine Asche an einem bestimmten Ort verstreut.Während der Reise bekommt sie zizerlweise Botschaften übermittelt, die Vater kurz vor seinem Krebstod aufgezeichnet hat.

Er war ein liebender Vater, der – typisch für seine Generation – Gefühle nicht auszudrücken vermochte.

Jetzt kann er.

Ein Notar begleitet Nora auf ihrer Österreich-Tour.

Nasse Socken

Ein Notar, der alle Stückerln spielt (zunächst). Er ist nicht nur vegan und bemüht sich sehr um Müsliriegel ohne Honig und Milchzucker. Er hat sogar ein Hobby – nämlich Topfpflanzen.

Vor allem weiß Dr. Bernhard Petrovic, dass man in nasse Socken blasen sollte, dann haben sie keine Falten, wenn sie trocken sind.

Nora ist über den tollen Hecht an ihrer Seite wenig erfreut; und auch die Leser nehmen Notarielles kostengünstig mit fürs weitere Leben.

Man geht und geht und entgeht sich nicht.


René Freund:
„Niemand weiß, wie spät es ist“
Deuticke Verlag.
272 Seiten.
20,60 Euro.

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