Ashley Hans Scheirl im Belvedere 21: Wo die Malerei den Stoff wechselt

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Die Ausstellung "In & Out of Painting" zeigt Malerei als Basis eines Werks, das ins Theatralische, Filmische und auch ins Bastlerische ausufert.

Wenn Auskenner über Malerei sprechen – meist geht es dabei um jene der wilden, abstrakten Sorte – , dann fällt manchmal der Begriff der „Pranke“: Man meint damit, dass ein Maler (fast immer männlich) seine Markierungen mit einem wuchtigen, bestimmten Pinselstrich setzt. Die Assoziationen zu Bären und Löwen sind durchaus gewollt, es gibt für solche Künstlergenies ja auch ein Revier zu verteidigen.

In der Solo-Ausstellung, die das Belvedere 21 Ashley Hans Scheirl nun bis zum 1. Februar ausrichtet, ist die Pranke ein bisschen versteckt. Vielleicht ist es jene kleine Knochenmaxi-Hand, die sich in der extra für die Schau gebauten Tisch-Apparatur versteckt, die sich auf Knopfdruck in Bewegung setzen lässt. Eine Anspielung an Edvard Munchs berühmtes Selbstporträt mit Knochenhand vielleicht? Eine kritisch-analytische Bloßlegung der Malergeste?

Jenseits des Schrägen

So genau weiß man das nicht. Aber wer gewillt ist, durch das vordergründig Schräge und Überdrehte dieser Ausstellung hindurch zu schauen, erkennt schnell, dass hier jemand am Werk ist, der das Wesen der Malerei sowohl in praktischer wie auch theoretischer Hinsicht durchschaut und eine Stufe des Künstlerseins erklommen hat, auf der es sich befreit spielen lässt.

Ashley Hans Scheirl zeigt seit mehreren Jahrzehnten vor, wie alles im Leben formbar ist – das betrifft auch die Geschlechteridentität der Künstler*in, die 1956 als Angela in Salzburg geboren wurde, sich 2001 als Hans Scheirl am Londoner St. Martins College einschrieb, erfolgreiche Underground-Filme drehte und sich später den betont Girlie-haften Namen „Ashley“ zulegte.

Immer wieder Leinwand

Wie die Schau mit ihrer Titel-These „In & Out of Painting“ vorführt, blieb die Malerei aber der Ankerpunkt für Scheirls Erfindungen: Die Direktheit, mit der sich die Transformation von Formen, Ideen und Bedeutungen auf der Leinwand vollziehen lässt, lässt sich auch von digitalen Revolutionen nicht so ohne Weiteres wegspülen.

Maria Lassnig, der Scheirl über viele Jahre als Modell, Assistent*in und Freund*in verbunden war, schlug dabei einen Pfad frei: Sie transformierte körperliche Befindlichkeiten zu Formen und Farben, die Nähe eines Bildes zur sichtbaren Wirklichkeit war dabei nur dem künstlerischen Ermessen unterworfen.

Scheirl folgt diesem Weg, geht aber bei der Pulverisierung malerischer Genie-Klischees noch einiges frecher zu Werke. Beim Werk „Hans im Bild“ (2008) verselbstständigt sich das Selbstporträt eines „Malerfürsten“ zu einem Bühnen-Bild: Die Leinwand geht hier um eine Ecke und ist um eine zungenartige Ausstülpung erweitert.

Abstrakte Markierungen finden sich in so manchen Bildern Scheirls, aber die Pranke bekommt meist Gesellschaft, etwa von einem meisterlich detailliert gemalten goldenen Kackhaufen („The Alchemist’s Fetish“, 2021) oder von einer breitbeinig stehenden Scheirl, die im Stehen pinkelt („Neoliberal Surrealist“, 2019).

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Fein gemalte Scheiße

Scheirl ist nicht die Erste, die Malerei als Spur des Körpers begreift und sie in Beziehung zu anderen körperlichen Vorgängen setzt, die „das Innere nach Außen kehren“. Während aber Künstler wie der US-Amerikaner Paul McCarthy oder die Wiener Aktionisten damit Skandale provozierten, hat der Kurzschluss von Kunst mit Kacke, Sperma, Blut oder Urin bei Scheirl meist etwas Heiter-Ironisches. Wer unbedingt in den psychologischen Kaninchenbau steigen will, denkt an die Freude von Kindern, „etwas Eigenes gemacht“ zu haben.

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Im schlechtesten Fall kann die Fäkal-Motivik als Vorwand dienen, die Ernsthaftigkeit dieser Kunst wegzukichern. Dabei geht es ihr ja weniger um die Substanzen als um Transformation: Scheirl, als studierte Restauratorin in der Kunstgeschichte wie in diversen Maltechniken bewandert, zaubert auch noch Referenzen aus Alchemie und Mythologie aus dem Pinsel – das Sterntalermädchen, der Goldesel oder die Danae aus Ovids Metamorphosen, die sich von einem „Goldregen“ des Göttervaters Zeus benetzen lässt, schauen um die Ecke.

Immer wieder stellt sich die Frage, was da nun mit Gold aufgewogen wird, worin sich also im übertragenen Sinn der Wert der Kunst bemisst. Eine eindeutige Antwort bleibt Scheirl schuldig: Das Edle und das Unedle können ebenso Plätze tauschen wie die Identifikation mit einem Geschlecht und den dazugehörigen Körpern, Kleidungen und Codes. „Mir ist es am liebsten, wenn man damit spielt“, sagt Scheirl, darauf angesprochen. Es ist ein schelmisches Vergnügen.

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