Malerei, die tanzt und taumelt: mumok zeigt Tobias Pils

Den Auftakt bilden drei grüne Figuren, die von links nach rechts über die Leinwand stolpern: Der Maler Tobias Pils hat sie 2024 als Nachhall von Pieter Bruegels Werk „Der Blindensturz“ (1568) gemalt, das ihn seit der Kindheit faszinierte.
Abseits seines Ursprungs in einem biblischen Gleichnis („Wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen“) verweist das Bild auf eine Reihe künstlerischer Probleme: Wodurch etwa entsteht in der Malerei ein Raum, wie orientiert man sich darin? Ist das Malen an das Sehen der Wirklichkeit gebunden, oder geht es eher um innere Bilder?
Bekannter Unbekannter
An solche Dinge dockt der 1971 geborene, in Oberösterreich aufgewachsene Pils mit einem Werk an, das im internationalen Kunstbetrieb viel Beachtung findet, in Österreich seit einer Schau in der Secession 2013 aber eher nur punktuell zu sehen war.

Heimische Künstler und Künstlerinnen in der Mitte ihrer Karriere auf ein Podest zu heben, habe im mumok aber Tradition, sagt die scheidende Direktorin Karola Kraus. Und wenngleich man anmerken darf, dass diese Tradition in der letzten Dekade etwas schwächelte, ist Pils’ Solopräsentation, die Kraus als letzte Ausstellung ihrer 15-jährigen Amtszeit eröffnet, wunderbar gelungen.
Zeitgenössischer Klassiker
Es sind vor allem die vergangenen zehn Jahre seines Schaffens, die der Künstler, gemeinsam mit Kuratorin Manuela Ammer, auf zwei Ebenen des Museums ausbreitet. Bekannt wurde Pils durch seine auf Grautöne reduzierte Farbpalette und einen Stil, der zwischen dem Zeichnerischen und dem Malerischen schwebt. Wer seine Kunstgeschichte-Lektion gelernt hat, wird Vergleiche zur Klassischen Moderne ziehen – etwa zum Picasso der surrealistischen Phase oder zu Alberto Giacometti, wenn dieser zeichnete oder malte.

Auch die mumok-Zusammenschau mutet in vielerlei Hinsicht klassisch an – mit perfekter Ausleuchtung, museal-weißen Stellwänden und schlichten Bänken. Und doch zeigt sich das Wesen von Pils’ Kunst eher dort, wo die Ausstellung Konventionen auf den Kopf stellt: Wenn sich etwa einzelne Bilder in der Hängung zusammendrängen, während andere mit großformatigen Paukenschlägen oder in einem Stakkato von Kleinformaten auftreten.

Dieser visuelle Rhythmus ist auch in Pils’ Gemälden angelegt: Diese werden von Menschlein unterschiedlicher Größe bevölkert, die sich schemenhaft materialisieren („Geister“, 2024), mit organischen Formen verschmelzen („Between Us Space“, 2021) oder sich verschlungen aneinanderdrängen („Lovers“, 2019). Einmal gruppieren sich die Homunkuli um ein schwarzes Quadrat, das von Kasimir Malewitsch stammen könnte („Pool“, 2019).
Schwankender Boden
Es gibt jedenfalls keinen Boden, keinen Horizont, kein Oben und Unten in Pils’ Bildern, kein eindeutiges Liegen, Sitzen oder Stehen. Der Künstler, der seine Bilder zunächst am Boden malte und später auf die Staffelei wechselte, kanalisiert bei seinem Raumverständnis so manche Vorbilder; darunter Franz West, dessen „Passstücke“ – Skulpturen, die man schwenken oder jonglieren sollte – für eine siebenteilige Gemäldeserie Pate standen.

Zugleich aber sickert Biografisches ein – etwa in Bildern, die die Geburt der Kinder des Künstlers verarbeiten. Auch ein tatsächlicher Sturz – ein Radunfall, bei dem sich Pils die Schulter brach – hinterließ Spuren. Im mumok strahlt all das – heiter, tänzerisch, abgründig, melancholisch – in die Räume zurück. Es ist eine Feier dessen, was Malerei (noch immer) kann. Bis 12. 4. 2026.
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