"Arturo Ui": Die große One-Woman-Gangstershow

Als wär’s "The Maltese Falcon", womit John Huston 1941 das Genre des klassischen Film noir begründete: So lässt Regisseur Michael Schottenberg "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" im Volkstheater beginnen.

Das Thema von Bertolt Brechts Historien-Farce über den Aufstieg Hitlers, im Gangstermilieu von Chicago angesiedelt und als Warnung vor jeder Diktatur gedacht, ist hochaktuell: Sie erzählt von "verdammten Zeiten", in denen "Geld immer teurer wird, am teuersten für den, der’s braucht."

Sie zeigt die Verstrickung von Korruption in Politik und Wirtschaft und den Weg in den Faschismus. Wie ein Kleinkrimineller zum gefährlichen Verbrecher wird, indem er die Macht über den lokalen Karfiolhandel an sich reißt. Und sie stellt eine Frage, die prompt ein Raunen im Publikum provoziert: "Wie lang bleibt einer ehrlich, ist er erst in der Politik?"

Hans Kudlich hat die "Stimmung braunen Trübsinns" mit hohen grauen Wänden auf der Drehbühne passend möbliert.

Maria Bill spielt, bleich geschminkt und mit schwarzer Haarsträhne auf der Stirn, den miesen kleinen Gangster Ui, den Brecht nach dem Vorbild Hitlers formte.

Eindrücke aus "Arturo Ui"

Eine Groteske

Wie übrigens schon Martin Wuttke im Berliner Ensemble in der gleichen Rolle trägt auch sie ein graues Jackett eng über die Brust geknöpft. Nur hat sie den Scheitel links, während Hitler und Wuttke als Hitler einen Rechtsscheitel hatten.

Aber man muss nicht übergenau sein. Die schauspielerische Leistung der Bill ist beeindruckend. Wenn auch nicht restlos überzeugend. Sie hat die Diktion, Körpersprache, Gestik und Ticks des Kunstmalers aus Braunau genauestens studiert. Obendrein Charlie Chaplin und Bruno Ganz als Hitler.

"Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit", sagte Brecht. Die Bill nimmt’s wortwörtlich. Die Groteske ist ihr Auftrag.

Sie sieht Hitler als eine Art wutschnaubendes Rumpelstilzchen, macht ihn zum schrulligen Giftzwerg. Zur Witzfigur. Sie tigert auf der Bühne hin und her, fuchtelt mit den Armen, grimassiert, schreit, geriert sich als verbale Dampfwalze. Zweieinhalb Stunden lang. Das kann in der Intensität die Nerven strapazieren. Und der Text ist, weil Ui hier nuschelt wie einst der Führer, zum Teil schlecht verständlich. Als Ui von einem Schauspieler (Günter Franzmeier) das richtige Stehen, Gehen, Sitzen und Sprechen lernt, um "einfache Leute" zu beeindrucken, gibt’s nach dem Rezitieren von Shakespeare den einzigen Szenenapplaus. Die große Show der Bill schiebt fast alle anderen ins Subalterne. Blass wirkt Patrick O. Beck als Roma. Inge Maux zeigt als Betty Dullfeet im Widerstand gegen das Monster hingegen ebenso Profil wie Rainer Frieb als Dogsborough.

KURIER-Wertung: