Ars Electronica: Es war einmal ... der Mensch
Wusch.
Eine Drohne fetzt über den Vorplatz des ehemaligen Postverteilerzentrums in Linz. Es ist, zum Glück, eine freundliche Drohne, gesteuert von einem ebenso freundlichen Mitarbeiter der Ars Electronica. Und dennoch: In ein paar Sekunden versteht plötzlich auch der behütete Mitteleuropäer, welche erschreckende Macht so ein Fluggerät in sich birgt.
Unwirklich rasche Kanten setzt das Ding in die Luft, wie diese Fliegen, die unter der Wohnzimmerlampe in endlosen Zackenfiguren umherirren; nur halt zielgesteuert und vielfältig einsetzbar. Man wagt es sich kaum auszumalen, dass daran auch Waffen hängen könnten.
Drinnen, im aufgelassenen Postzentrum, fliegen in einem Käfig die freundlichen, langsamen Drohnen, gesteuert von milde amüsierten Teenagern, die kurz darauf wieder pädagogengeführt durch die heurige Hauptausstellung wandeln.
Das Festival selber macht mit den ferngesteuerten Fluggeräten Kunst.
Und schon ist man mittendrin in der besonderen Welt des Linzer Medienkunstfestivals. Hier treffen eigentlich unvereinbare Dinge aufeinander: Kunst, Elektronikbastelei und eine Kombination aus unbeirrbarer Zukunftsbegeisterung und Technologieeuphorie. Ungebrochen, trotz der vielen Miseren der digitalen Revolutionen.
Dennoch weist man immer wieder auch warnend auf die düstereren Aussichten hin, die die diversen Fortschritte mit sich bringen könnten. Oder werden.
Heuer steht besonders viel zur Verfügung, mit dem einem unwohl sein könnte. Das Festival (bis 12. September) blickt auf die übernächste digitale Revolution. Das wird diejenige sein, in der die uns umgebende Welt völlig von Computern, Robotern und anderen Digitaldingern durchdrungen werden wird. Die Kleidung wird Daten sammeln, die Medizin wird mit Kleinrobotern in den Körper des Menschen vordringen, die eigene Wohnung wissen, wo man gerade war und was man gleich tun will.
Es wird eine andere Welt, auf die in Linz derzeit ein guter, leicht verständlicher Vorgeschmack gegeben wird. Vieles wird man wohl nicht wiedererkennen.
Es war einmal ... der Sex
... der Künstler
... die Kassenmedizin
Wer genug auf YouTube stöbert, findet bedrückende Bilder kranker Menschen. Aber nicht aus armen Ländern, sondern der führenden Nation der Welt: Amerikaner, die sich keine Krankenversicherung leisten können, geben einander Hilfeleistung per Video, was man bei Krankheiten und Verletzungen ohne Arzt tun kann. Ein Künstler – ausgezeichnet beim heurigen CyberArts-Bewerb – hat daraufhin einen fernbedienbaren Chirurgieroboter aus frei zugänglichen Bauplänen erstellt, mit dem Operationen theoretisch abseits der Spitäler möglich sind. Zur Bedienung aber braucht der immer noch einen Chirurgen.
... Europa
In der Linzer Kunstuni präsentieren sich heuer Studenten aus China – mit dem Repräsentationsanspruch einer aufstrebenden Großmacht und dem kreativen Bastelwillen der weltweiten neuen Kreativklasse der Programmierer, Ingenieure und Start-ups. Die alte Welt gerät in diesem entscheidenden Bereich ins Hintertreffen.
... die öffentliche Hand
Eingebunden in die außergewöhnlich spannende Hauptausstellung der Ars Electronica präsentieren sich mit neuer Selbstverständlichkeit auch kommerzielle Unternehmen. Vorbei ist, angesichts leerer öffentlicher Kassen, die Zeit, als die Kunst die Wirtschaft nur mit spitzen Fingern als Partner angriff.
... die Sinnesorgane
Auf die war einmal Verlass, zumindest so halbwegs. Damit ist bald Schluss: Bei der Ars Electronica kann man, durch Wissenschaft und Technik-Trickserei, Objekte angreifen, die es gar nicht gibt, und auch der Klang bekommt eine Körperlichkeit.
... der Mensch
Gleich daneben gibt es neue Körperteile aus dem Baukasten. Es war einmal der Mensch, es kommt: Der Mensch aus Ersatzteilen.
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