Ars Electronica: Der Kampf um die Weltherrschaft

ars electronica 2017
Was künstliche Intelligenz mit Sex, Politik und dem Sterben zu tun hat.

Während sich der Wahlkampf in Österreich mit wütender Verbissenheit auf das konzentriert, was nur in Österreich wahlentscheidend sein kann, auf Urlaube, Mauern und Mindestsicherung, wird gerade die Weltherrschaft neu verhandelt.

"Wer in der künstlichen Intelligenz führend ist, wird die Welt beherrschen": Das sagte vor einigen Tagen nicht irgendein Fortschrittshöriger aus dem Silicon Valley, sondern einer, dem das eigentlich gar nicht recht sein kann – Wladimir Putin nämlich. Denn allem Anschein nach spielt Russland in diesem Kampf keine Rolle; er wird zwischen den USA und China ausgefochten (und China dürfte derzeit die besseren Karten haben).

Wenn es also für Putin echt schlecht läuft, dann wird er durch eine digitale Katze ersetzt.

Eine, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist – und vielleicht irgendwann der bessere Politiker sein wird. Das suggeriert zumindest "Kitty AI", ein Video rund um einen katzenförmigen digitalen Bürgermeister, am Eingang der heurigen Ars-Electronica-Hauptausstellung im ehemaligen Postverteilerzentrum in Linz.

Freundlich erzählt die "Kitty AI", dass sie drei Millionen Menschen gleichzeitig lieben könne. Und stellt so die Frage: Müsste die künstliche Intelligenz, wenn sie dann mal so weit ist, nicht der viel bessere Politiker sein, einer, der riesige Datenmengen analysieren kann, um Probleme zu lösen, der nicht behindert wird von Begehrlichkeiten und Schuldigkeiten, der weiß, was die Bürger tun und denken – und daher auch, was sie brauchen, vielleicht besser als sie selbst?

Diese freundlich, bunt und mit Katzen-Piepsestimme vorgetragene Zukunftsvision ist nur eine von vielen vom Linzer Festival vorgeführten Spielarten, wie die künstliche Intelligenz unser aller Leben über den Haufen werfen kann. Dass der Computer demnächst selbst denken, selbst lernen kann, ist aktuell die größte Hoffnung der Technologieinvestoren. Und der größte Schrecken all jener, die sich schon angesichts der derzeitigen Überwachungs- und Datensammelmonopole wie Google und Facebook um die offene Gesellschaft sorgen.

Denn wenn der Computer gescheiter ist als der Mensch, stellt sich die Frage, wozu wir noch gut sind. Zum Arbeiten werden wir dann nicht mehr gebraucht, zum Autofahren bald auch nicht mehr. Und selbst für Sex immer weniger: Auch hierfür wird es künftig lebensechte Roboter geben.

Ist das gut für SexarbeiterInnen? Schlecht?

In den Sexmodus!

Hinter einem Vorhang – ab 18! – sitzt eine Sexpuppe. Große Brüste, blanke Augen, und digitales Innenleben: Man soll, sagt der Macher, mit ihr reden können; auch hier, wo es um andere Bedürfnisse geht, spielt die künstliche Intelligenz eine Rolle.

Die Puppe erzählt beim KURIER-Besuch gerade Witze, was nett ist, aber nicht alles sein kann. "Schalte in den Sexmodus!", ruft ihr Entwickler ihr zu. "Ich habe derzeit viel Freude, Witze zu erzählen", sagt Samantha. Und bleibt dabei. Das ist irgendwie berührend.

Aber Intimität, das zeigt derselbe Ausstellungsraum, ist mehr als Sex. Dankbar werden wir sein, wenn wer da ist, wenn wir sterben, auch wenn es nur ein Roboter ist. Zu sehen ist eine roboterisierte Auflage für den Unterarm, die Bewegung, Nähe simuliert, und damit Trost.

In den Bunker

Die schon zum dritten Mal bespielte "Post City" nahe des Hauptbahnhofes ist ein fantastischer Raum, in dessen Eingeweiden, zwischen verstaubten Paketbahnen, Graffiti-Wänden und düsteren Gängen, die Ars Electronica ihre Kunst zeigt. Man steigt in den unterirdischen Bunker hinab, sieht zahllose Bücher, die von Roboterhand umgeblättert werden, einen Menschenblut-betriebenen Synthesizer, es brummt und dröhnt aus allen Winkeln. Plötzlich, der Empfang war schon lange weg, eine SMS: "Deine Daten sind bei mir sicher", dazu die Aufforderung, einen Link zu klicken. Journalistisch verpflichtet, ruft man trotz Sorge ums Handy die Webseite auf. Ein Kunstprojekt präsentiert sich. Die Daten sind sicher.

Parcours

Die Ars Electronica ist ein besonderes Festival, ein Abenteuerparcours für Bastler, Coder und jene, die in der Stadt der Zukunft gerne vom Fahrradreparieren leben wollen. Ein Kunstfestival, das die Befehlsausgabe des Kunstmarktes ignoriert. Ein Technologiefestival, das trotz der Kränkungen und Gefahren, die die digitale Zukunft bisher mit sich gebracht hat, den Fortschritt verteidigt.

Es gibt lustige Animationsfilme und Biotech-Projekte an der Grenze zwischen Mensch und Tier. Es gibt heuer mit künstlicher Intelligenz ein wichtiges Thema; es gibt Musik und einen Roboter, der malt. Die Ars ist, bis Montag, der Ort in Österreich, der nicht von oder in der Vergangenheit lebt. Und allein dafür den Besuch absolut wert.

Kommentare