Die Kulturgeschichte des Bauens als Erlebnis inszeniert
Mit einem Blick nach vorne durch eine Rückschau, was in den letzten Jahrzehnten passiert ist: So präsentiert sich die nach 17 Jahren völlig neu gestaltete Dauerausstellung „Hot Questions – Cold Storage“ im Architekturzentrum Wien (AzW).
Die neue Schausammlung zeigt großartige österreichische Architektur und geht auch auf die Rolle der Baukunst in der Gesellschaft ein. Im Sinne der zentralen Frage: Was kann Architektur?
Der Direktorin Angelika Fitz ging es darum, „Lust aufs Schauen zu machen, ein sinnliches Erlebnis zu bieten“ und „Perspektiven zu öffnen“ in Bereiche wie Sozialgeschichte, Politik, Wirtschaft, Technik – also „Kulturgeschichte im weitesten Sinn“.
Angesprochen werden dem Schau-Titel gemäß in sieben Kapiteln „brennende Fragen“ der Gegenwart und nahen Zukunft: „Wie wollen wir leben?“, „Wer sorgt für uns?“ oder „Wie überleben wir?“
Schaulust
Antworten oder zumindest Inspiration liefern vielleicht die mehr als 400 Exponate quasi aus dem „Cold Storage“, was weniger als einem Prozent der sonst unsichtbaren Schätze im eigenen Depot entspricht. Und zu dem mehr als 100 Vor- und Nachlässe gehören.
Zu sehen sind zum Teil zum ersten Mal Modelle, Möbel, Stoffe, Zeichnungen Pläne, Fotos, Filme – und zwei unkonventionelle Objekte: Zwei Barbie-Puppen – die Architektin und die Baumeisterin. Denn: Wo waren eigentlich die Architektinnen, fragt sich die Kuratorin Monika Platzer. Und wieso hatten sie so lange keine Bedeutung? Immerhin waren bis 1938 mehr als 200 Studentinnen an heimischen Ausbildungsstellen inskribiert, aber sehr spät – erst 1996 – erhielt Nasrine Seraji als erste Frau eine Architektur-Professur in Wien.
Nachzuvollziehen ist, wie sich die Werkzeuge von Bleistift bis Computer verändert haben. Und geografisch reicht das Spektrum von der Vorarlberger Baukunst bis zum burgenländischen Brutalismus in einer spannenden Gegenüberstellung.
Das Rote Wien ist mit dem Karl-Marx-Hof vertreten, das Visionäre der 60er-Jahre mit Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au und Raimund Abraham. Aktuell relevant: Die Solarenergie und Solar-Häuser, wie sie etwa Gerhard Steixner und Georg W. Reinberg, ein Pionier des ökologischen Bauens und der Solararchitektur, entwickelt haben.
„Wir verstehen uns als Museum und sind bewusst abgegangen von den bisher üblichen Projektpräsentationen“, so Platzer, die einen Paradigmenwechsels konstatiert im Vergleich zu früher, als Frauen, Klima, Kapital u. a. noch kein Thema waren.
„Jetzt ist es ein Ineinanderfließen von Objekten. Um Architektur zu vermitteln, muss man nicht mehr jedes Projekt durchdeklinieren.“
Der Architekturbegriff hat sich verändert. Ist breiter geworden. „Heute geht’s nicht mehr um den einen Blick, sondern um Blicke auf das Gebaute oder Geplante. Das ist ein großer Unterschied.“
www.azw.at
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