Architektur gegen die Abwanderung: Was das Land zusammenhält

Architektur gegen die Abwanderung: Was das Land zusammenhält
Das AzW zeigt Bauten aus China, das Guggenheim Museum plant eine Schau zum Landleben im Digitalzeitalter

Wie eine Schnecke liegt das neue Freizeitzentrum am Fluss, Boote können anlegen, Menschen genießen das Panorama. Wenig weiter steht eine Zuckerfabrik, die nach Betriebsschluss zum Gemeindezentrum umfunktioniert wird und Platz für Veranstaltungen bietet. Eine alte Brücke wurde mit einer Holzkonstruktion so überdacht, dass sich eine stimmungsvolle Promenade mit Ruhe- und Spielplätzen ergibt.

Die Gebäude, die das Architekturzentrum Wien (AzW) bis 23.4. in der Schau „Rural Moves – The Songyang Story“ präsentiert, sind keine spektakulären Bauten, sondern Beispiele schlichter, guter Architektur – gedacht dazu, dem ländlichen Leben neue Fokuspunkte und Impulse zu geben. Geplant wurden sie allesamt von der Pekinger Architektin Xu Tiantian für die Region Songyang, eine ländliche Gegend in der Provinz Zhejiang im Osten Chinas.

Gegenmaßnahmen

Die Region, in der traditionell Reis und Tee angepflanzt wurde, ist wie viele andere Landstriche in China und anderswo von starker Abwanderung geprägt. Mit Infrastrukturmaßnahmen wie neuen Straßen und digitaler Breitbandversorgung allein, so heißt es in der ansprechend gestalteten Schau, konnte diesem Trend bislang nicht ausreichend entgegengewirkt werden.

Xus Architektur sei demnach mit Akupunktur-Nadelstichen vergleichbar: Indem die Gebäude Bezugspunkte für die lokale Bevölkerung schaffen, soll der Zusammenhalt und auch die Lebensqualität gesteigert, die Landflucht gebremst werden.Neben Gemeinschaftseinrichtungen spielen Kulturbauten eine wichtige Rolle in Xus Werk: Ein Museum für die lokal ansässige Hakka-Volksgruppe und ein moderner Schrein für einen Gelehrten aus dem Mittelalter sind dazu angetan, das Geschichtsbewusstsein vor Ort zu stärken. In einem Bambus-Pavillon inmitten von Teefeldern können die Bewohner die Schönheit der Region im Hier und Jetzt schätzen.

Architektur gegen die Abwanderung: Was das Land zusammenhält

Dass die Bewirtschaftung ländlicher Gegenden ein Zukunftsthema ist, hat auch der Architekt Rem Koolhaas erkannt. Der Niederländer, der bereits wegweisende Gedanken zur Stadtplanung und Shopping-Kultur formulierte, beschäftigt sich seit 2012 mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung der Landwirtschaft und den daraus folgenden Verlagerungen der ländlichen Bevölkerungs- und Besiedelungsstruktur. Koolhaas’ Forschungen werden in eine große Ausstellung münden, die das Guggenheim Museum New York unter dem Titel „Countryside – Future of the World“ (etwa : „Das Land, die Zukunft der Welt“) ab 20.2.2020 zeigt.

Kommentare