Architektur-Biennale: VIP-Party, nicht mehr zeitgemäß - oder doch wichtig?
Corona hat’s notwendig gemacht: Die Architekturbiennale in Venedig unter dem Motto „How will we live together?“ wurde auf 22. Mai bis 21. November 2021 verschoben.
Da kann man sich jetzt ganz ohne Zeitdruck Gedanken machen über Fragen wie: Ist ein Festival dieser Art überhaupt noch zeitgemäß? Wer ist die Zielgruppe? Trifft sich da nur die Promi-Szene zur exklusiven Nabelschau zwischen VIP-Party und Medienevent an den Eröffnungstagen? Sind solche Großevents notwendig, um den Stellenwert von Architektur wahrzunehmen und bewusst zu machen? Welche Veränderungen kann die wichtigste, internationale Ausstellung der Branche bewirken? Und vor allem: Wohin soll sie sich entwickeln?
„Unser Leben in den Städten wird uns zunehmend – über ein Internetportal oder eine App – als eine Dienstleistung zurückverkauft“, hieß es in einer Online- Diskussion von „architektur in progress“ zum Thema „Warum brauchen wir die Architektur-Biennale?“ am Dienstag.
Festival primär als Event
Die Kuratoren Peter Mörtenböck und Helge Mooshammer erläuterten dabei ihren Beitrag „Platform Austria“ und ihr Konzept, „einen möglichst breiten Zugang zur Debatte über das Thema Plattform-Urbanismus zu gewährleisten.“
Soll heißen: „Digitale Plattformen wie Facebook, Google oder Amazon dringen immer stärker in alle Lebensbereiche ein und beginnen alte Ordnungen und Strukturen aufzulösen.“ – „Platform Austria“ soll die Entwicklung unserer Städte beleuchten und den Pavillon selbst zur Plattform der aktiven Auseinandersetzung mit den Potenzialen der Zukunft und deren Architektur machen.
Der Anspruch sei zunächst, ein Riesenfest zu veranstalten. Was die finanzielle Ausstattung betrifft, gäbe es „keinen Grund zur Klage und sei sie auch gar nicht entscheidend“, sagte Verena Konrad, die letzte vom Minister bestellte Kommissärin 2018. Das Duo für 2021 hat eine Jury ausgewählt, „eine positive Entwicklung, weil so mehr Ideen auf den Tisch kommen“, sagt Konrad. „Für mich war eine der wichtigsten Aufgaben, dass viel nach Österreich zurückgespielt und nicht nur in Venedig belassen wurde.“
Das große Thema Architektur und seine kulturelle und soziale Bedeutung überhaupt groß in die Medien zu bekommen, sei mit ein wichtiger Effekt. „Die Biennale ist ein relativ kleines Ausstellungsprojekt mit einer Riesenöffentlichkeit.“
Politische Dimension
„Zunehmend gewinnt die Biennale an Gewicht als Arena für die Bildung von neuem Wissen, für die Bildung von Werkzeugen und Techniken, für das Entstehen von Verständnis und neuen Werten“, sagt Mooshammer, Stadt- und Kulturforscher an der TU Wien.
„Schon allein durch die Aufsplittung in nationale Pavillons gibt eine Vielfalt an Themen, Stimmen und Perspektiven – und keine zentrale Direktive“, so Mörtenböck, Professor für Visuelle Kultur an der TU Wien.
Obwohl es allgemein als wichtig erachtet wird, einen physischen Ort der Kommunikation und des Austausches zu haben, zweifelt die Architektin Elke Delugan Meissl, Kommissärin von 2016, ob die Biennale an einem Ort wie Venedig und die Länder-Pavillons in den Giardini noch zeitgemäß sind. Ob man nicht die Schauplätze wechseln sollte im Sinne einer globalisierten Welt: „Und kann der österreichische Pavillon – schon eine Skulptur an sich – als Ausstellungsplattform überhaupt noch adäquat agieren? Ich finde, als Lokalität für eine Personale oder Installationen ist er nicht geeignet und auch nicht mehr zeitgemäß.“
Ein Fachthema nicht nur in der Lagunenstadt zu behandeln, sondern über die Ausstellungszeit hinaus einen Prozess zu steuern und zu betreiben, war für Delugan Meissl die eigentliche Faszination ihres Biennale-Engagements.
Und fügt „aus jahrelanger Erfahrung“ desillusioniert hinzu: „Der Stellenwert der Architektur in der Gesellschaft ist doch verschwindend gering.“ Wie man einer breiten Öffentlichkeit bewusst macht, dass die Baukunst im sozialen Gefüge wichtig ist, dafür hat noch keiner ein überzeugendes Rezept gefunden.
„Die Biennale leistet sicher einen Beitrag, um dieses Ziel zu erreichen, aber sie erledigt den Job nicht“, sagt Konrad. „Mir geht es um die kulturelle Dimension der Architekturbiennale. Sie ist wichtig als Kommunikationsinstrument für unsere Anliegen. Um sie in die Welt zu tragen und um miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn es gibt sehr wenige mediale Plattformen, wo man das intensiv und inhaltlich auch machen kann.“
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