Arafat roch nach Babypuder
Margaret Thatcher lud ihn zum Lunch in die Downing Street. Es war auch der niederländische Ministerpräsident Ruud Lubbers zu Gast.
"Also, Mr Lubbers", verkündete Mrs Thatcher, die mit einer Bombenüberraschung aufwarten wollte. "Das hier ist Mr. Cornwell, aber Sie kennen ihn womöglich eher als Schriftsteller John le Carré."
Ruud Lubbers lächelte.
"Nein", antwortete er.
"Kommen Sie, Mr. Lubbers ..." Mrs Thatcher war bekannt dafür, ein Nein nicht so einfach gelten zu lassen.
"Sie haben doch schon von John le Carré gehört. Er hat Der Spion, der aus der Kälte kam geschrieben ..."
Lubbers dachte nach.
"Nein", wiederholte er.
Nun war Mrs Thatcher – wie man in London bestimmt NICHT sagte – ang’fressen, und zwar auf le Carré. Sie tat plötzlich, als habe er sich in den Speisesaal hineingeschmuggelt:
"Nun, Mr Cornwell, da Sie nun schon mal hier sind: Gibt es etwas, das Sie mir mitteilen möchten?"
Katze von hinten
Mit solchen Geschichten aus seinem reichen, spannenden Leben unterhält der 84-Jährige, der als kleiner Agent des britischen Inlands- und Auslandsgeheimdienstes begonnen hatte und mit rund 20 Romanen und einem Pseudonym zum berühmten Schriftsteller wurde.
Weltweit erscheint heute "Der Taubentunnel". Es ist ein Anekdotenbuch, scheinbar ungeordnet. Im Plauderton erzählt er, was er Journalisten gegenüber nicht erzählt hat. John le Carré meidet nämlich Zeitungsleute – was vielleicht auch mit einem französischen Fotografen zu tun hat, den er dummerweise ins Haus ließ:
Der Fotograf bestand darauf, ihm zuerst Beispiele seiner Arbeiten zu zeigen, le Carré – ein äußerst höflicher Mensch – äußerte seine Bewunderung ... und dann wurde ihm das Bild einer Katze von hinten präsentiert.
Fotograf: "Sie mögen Arschloch von Katze?"
Le Carré bemühte sich, das gute Licht zu loben.
Fotograf: "Das Arschloch von Katze ist mein Test. Wenn mein Modell schockiert ist, dann weiß ich, es ist nicht kultiviert."
Silvestertanz
"Der Taubentunnel" ist voll mit Prominenz. Aber niemals wird mit den Namen angegeben. Dieser Autor ist ein Untertreiber – im Gegensatz zum Kollegen Frederick Forsyth ("Der Schakal"), in dessen Memoiren man voriges Jahr lesen konnte, er hätte in Ostberlin fast den Dritten Weltkrieg ausgelöst.
Der verehrte Schauspieler Richard Burton kommt im "Taubentunnel" vor, auch Alex Guinness – ihn hat man dank BBC-Verfilmungen im Kopf, denkt man an le Carrés legendäre Figur, den Spion George Smiley.
Echte Spione spielen im Buch mit (Geheimnisse werden nicht verraten), sein Vater (ein Hochstapler) spielt mit, viele Politiker ... höchst amüsant lesen sich die Begegnungen mit Palästinenserführer Jassir Arafat.
Le Carré notiert: "Arafats Bart ist nicht stachlich, sondern seidenweich. Er riecht nach Babypuder."
Mit Arafat tanzte er am Silvesterabend 1982 in einer Schule für Waisenkinder.
Der Titel der Memoiren ist auch so eine Geschichte ... und er ist ein schrecklich-gutes Bild fürs Leben. Weil’s immer passt, gab ihn der Brite zunächst, als Arbeitstitel, fast allen seinen Büchern.
"Taubentunnel" geht auf ein Erlebnis in seiner Kindheit zurück, als John le Carré mit seinem Vater in Monte Carlo war.
In der Nähe des Casinos gab es eine Schießanlage, die aufs Meer hinausging. Unter der Erde waren Rohre Richtung See verlegt worden, und durch diese Tunnel schickte man die Tauben, die auf dem Dach des Casinos gehalten wurden.
Sie flatterten durch die Finsternis und stiegen in den Himmel auf, aber Gentlemen lagen mit ihren Schrotgewehren auf der Lauer.
Die überlebenden Tauben flogen nicht weg. Auf dem Dach des Casinos warteten sie ... aufs nächste Mal.
John le Carré:
„Der Taubentunnel“
Übersetzt von Peter Torberg.
Ullstein Verlag.
384 Seiten. 22,70 Euro.
Kommentare