"Anthropozän“ am Salzburger Landestheater: Gefangen in der Eiswüste
Österreichische Erstaufführung von Stuart MacRae am Salzburger Landestheater (Von Helmut Christian Mayer).
27.05.24, 16:32
„Anthropozän“ ist der Begriff für unser gegenwärtiges, vom Menschen bestimmtes Erdzeitalter. „Anthropozän“ ist auch der Titel einer 2019 an der Scottish Opera in Glasgow uraufgeführten Oper von Stuart MacRae. Es ist die vierte Zusammenarbeit des schottischen Komponisten mit der Librettistin Louise Welsh und die erste gemeinsame abendfüllende Oper, die jetzt am Salzburger Landestheater als österreichische Erstaufführung gezeigt wird.
„Anthropocene“ heißt auch das Forschungsschiff, das auf einer Expedition am Polarkreis vom ewigen Eis eingeschlossen wird. Durch die Isolation entstehen Spannungen im Forscherteam. Die Wissenschaftler entdecken eine eingefrorene Frau, die einst von ihrem Stamm geopfert wurde, um ihr Dorf vor dem ewigen Eis zu beschützen. Sie wird lebendig und erklärt, dass nur Blut das Eis rund um das Schiff zum Schmelzen bringen kann. Die Geschichte wird zum Kriminalfall. Denn es geschehen zwei Morde, bevor die Rettung naht.
Die von Themen wie Klimawandel, nordische Mystik und unaufhörliche Suche nach Wissen aufgeladene Geschichte mit viel dramatischem Spürsinn ist jedoch auch mit Symbolismen überladen, teils auch von einer gewissen Langsamkeit geprägt. Sie wird auf einem kalten Schiffsdeck samt Mast, teils mit Polarlichtern (Volker Thiele) von der Regisseurin Agnessa Nefjodov sehr eindrucksvoll, ja teils packend wie ein Thriller gezeigt.
Fast unsingbare Höhen
An das Sängerensemble werden höchste Anforderungen gestellt: So muss Anita Giovanna Rosati als Ice in kaum mehr singbare Höhen vorstoßen. Auch Meredith Hoffmann-Thomson als Professor Prentice, Leiterin der Expedition, und George Humphreys als ihr Mann singen mit Bravour. Kathie Coventry als Daisy gefällt ebenso wie William Ferguson als ihr Vater Harry King, der Schiffseigner. Luke Sinclair ist ein idealer Matrose Vasco. Wohingegen Tristan Hambleton als Kapitän über einen etwas kleinen Bass und Samuel Pantcheff als Journalist Miles über eine recht knorrige Stimme verfügt.
Die polystilistische Musik von Stuart MacRae schwankt zwischen Tonalität und Atonalität. Man hört traditionelle Elemente, Impressionismus, Minimalmusik, aber auch Klangflächen, schleifende Intervalle und viel Schlagwerk. Sie erzeugt eine emotionsreiche, teils thrillerartige Atmosphäre. Sie wird vom Mozarteumorchester Salzburg unter seinem Chefdirigenten Leslie Suganandarajah hochambitioniert reich an Facetten und Emotionen fein ziseliert aber auch sehr drastisch musiziert.
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