Anna Baar: "Die Farbe des Granatapfels"

Die Mutter Kroatin, der Vater Österreicher: Anna Baar, Jahrgang 1973, lebt in Klagenfurt.
Die Geschichte von der kroatischen Großmutter und der Doppelheimat: Ist sie zu schön?

Für den Kärntner Josef WinklerStaatspreis für Literatur 2007, Büchnerpreis 2008, Ehrendoktorat der Uni Klagenfurt 2009 – ist diese Familiengeschichte "Zukunftsliteratur".

Interessant. Denn darunter stellt man sich vielleicht eher etwas metallisch Glänzendes vor, etwas Punktgenaues, Kaltes.

Aber "Die Farbe des Granatapfels" ist warm und wortreich. Wortgewaltig. Großzügig. Von den bisher drei österreichischen Romanen dieses Sommers, die als Schauplatz Kroatien gewählt haben, hat Anna Baar am üppigsten geschrieben.

(Die anderen, schon im KURIER vorgestellten, sind Ruth Cerhas "Bora" und Margit Schreiners "Das menschliche Gleichgewicht".)

Ammoniak

In Zagreb wurde Baar geboren, in Wien und Kärnten wuchs sie – und auf der Insel Brač, der größten Dalmatiens, verbrachte sie die Sommerferien.

Kein Zufall also, dass im "Granatapfel"-Buch eine Anuschka heranwächst und Sommer für Sommer von den Eltern aus Österreich zur kroatischen Großmutter gebracht wird.

Obwohl es (anfangs) in Wien spannender ist, wenn die U-Bahn-Schächte nach Ammoniak riechen.

Und Großmutter Nada (= Hoffnung) das Kind mit ihrer klebrigen Liebe nervt:

Sie: Wer ist mein Augenlicht?

Ich schweige. Zähneknirschend.

Sie dann: Sag: Ich!

Den Teufel werd ich tun.

Was "nur" nach Großmutters ehrlichem Liebeskampf um die immer bloß geborgte Anna/Anuschka aussieht, stellt eine Ebene tiefer viele Fragen.

Was ist Vaterland? Kann es Heimate geben bzw. eine Doppelheimat? Was ist Kroatien heute? Ist es – weg?

"Da unten" feiert man noch immer den Sieg gegen die "Ibermenschen" – die Deutschen. Und macht den Deutschen, die jetzt Touristen sind, das Frühstück ...

... während – die Großmutter betont dieses Konkurrenzwort gar nicht schön – in Esterraich neue Ibermenschen das Maul aufreißen.

Anna Baar war im Finale um den heurigen Bachmannpreis. Der von ihr vorgelesene Text – letzter Teil des Romans (der sentimentale)– bekam vom Juryvorsitzenden das Urteil: "zu schön, zu geschmackvoll ..." Da hat er recht. Und?

Vielleicht wissen es alle erst später zu schätzen, weil "Die Farbe des Granatapfels" ja Zukunftsliteratur ist.

Anna Baar: "Die Farbe des Granatapfels"
buch

Anna Baar: „Die Farbe des Granatapfels“, Wallstein Verlag. 312 Seiten. 20,50 Euro.

KURIER-Wertung:

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