Tour de Farce als Bremsversuch

Tour de Farce als Bremsversuch
Neue Geschichten von Andreas Vitásek im neuen Solo "Sekundenschlaf".

Das Dutzend ist voll. „Sekundenschlaf“, das 12. Solo von Andreas Vitásek hat am Dienstag Premiere im Wiener Rabenhof. Das hat weniger mit gefährlichen Situationen im Straßenverkehr zu tun als mit im Ungefähren angesiedelten Regionen zwischen Gestern und Morgen, Himmel und Hölle, Mann und Frau.

„Genau in dieser Sphäre zwischen Wachsein und Schlaf, zwischen Traum und Wirklichkeit spielt sich oft Interessantes ab“, sagt der Kabarettist im KURIER-Gespräch. Im Mittelpunkt steht das Phänomen Zeit. Ihre höchst subjektive Wahrnehmung: Wo sind eigentlich die letzten zehn Jahre hingekommen? Wie ist das mit dem chinesischen Fluch „Mögest du in interessanten Zeiten leben“? Und warum wird alles immer schneller?

„Kaum hat man sich mit seinem neuen iPhone angefreundet, gibt’s schon wieder ein neues Modell“, sagt Vitásek und plädiert für Entschleunigung.

Lümmelnde Bengerln

Dazu passend das aktuelle Plakatsujet. Es zeigt ihn als Engerl, ein Zitat der bekannten Raffael-Engel. Sie sind die berühmtesten Lümmel der Kunstgeschichte. „Bis dahin hatten Engel in der Kunst immer etwas zu tun: Wolken schieben, Heilige tragen, ein Instrument spielen“, so Vitásek. „Und diese beiden Engel tun gar nichts. Das hat mir gut gefallen.“

Was beim Dekor eines der Hauptwerke der Hochrenaissance, der „Sixtinischen Madonna“ in der Dresdner Sempergalerie, seinerzeit ein Protest des Künstlers gegen den Papst war, suggeriert uns noch heute: Mach es dir erst einmal bequem!

„Bei meinem Programm geht es um den positiven Sekundenschlaf, das Powernapping, das kurze Wegdösen“, sagt Vitásek, der die Idee dazu bei einem Nickerchen während einer mehrstündigen Wiener Festwochen-Produktion hatte.

Auf seiner Tour de Farce durch die seelische Provinz trifft er Cerberus, den Höllenhund, versucht einen WLAN-Verstärker zu kaufen, besucht seine Ahnen und Namensvettern, erinnert sich an sein Europa, pflanzt Wunderbäume, erklärt die richtige Art, Harakiri zu verüben und verliert vorübergehend sein Herz.

Gemütlichkeit

Nach „My Generation“ und „39,2° – Ein Fiebermonolog“, was ist anders bei „Sekundenschlaf“? Nichts, und das zeugt von einer Qualität der Verlässlichkeit.

Vitásek ist Vitásek wie eh und je. Ein Geschichtenerzähler, der Ruhe in seinem Zweitdomizil im Südburgenland bei Güssing findet, der neuerdings die Freuden eines erfrischenden Nachmittagsschläfchens genießt und zur Erkenntnis gelangt ist: „Man verändert sich ja nicht wirklich. Man wird nur älter. Und das ist schon mehr Veränderung, als einem lieb ist.“

„Stundenlang versonnen in die Grillglut starren, in der Linken eine Dose Budweiser, in der Rechten eine hellblaue Fliegenklatsche, das ist burgenländisches Tai Chi. Und wenn Sie ein paar Birken sehen und darunter einen gelangweilten Mops, der mir irgendwie ähnlich sieht, dann sind Sie schon am richtigen Weg.“ Das ist Vitáseks gelebte Entschleunigung. Denn Theater und Film haben derzeit Pause. Sein lakonischer Kommentar: „Es ist nichts geplant.“

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