Dietrich bis Churchill: Als der Tschick schick war

Filmstars, Politiker, Schriftsteller und Ärzte liebten den blauen Dunst. Viele gingen aber auch an ihm zugrunde.

Sie gehören zu den faszinierenden Schwarz-Weiß-Bildern, die uns das 20. Jahrhundert hinterlassen hat. Wenn sich Humphrey Bogart in "Casablanca" eine Zigarette anzündet, wenn Cary Grant, John Wayne, Yul Brynner oder Gary Cooper genüsslich an ihrem Glimmstängel ziehen. Oder wenn Rita Hayworth und Marlene Dietrich beim Ausatmen des blauen Dunstes erotische Wirkung zeigen. Niemand hat damals bedacht – oder bedenken wollen – dass speziell junge Kinobesucher das als cool und sexy empfanden und so vom Laster des Rauchens befallen wurden.

Ein hoher Preis

Nicht nur das Publikum, auch die Hollywoodikonen selbst zahlten zum Teil einen hohen Preis für ihre Raucherleidenschaft und die schönen Bilder auf der Leinwand. Humphrey Bogart starb mit 57 Jahren an Speiseröhrenkrebs, Gary Cooper mit 60 und Yul Brynner mit 65, beide an Lungenkrebs.

Geeichte Tabak-Fanatiker liefern in solchen Fällen eindrucksvolle Gegenargumente: Die Kettenraucher Helmut Schmidt, Winston Churchill und Sigmund Freud wurden 96, 90 bzw. 83 Jahre alt. Und Johannes Heesters sang noch mit über 100 "Da zünd ich mir ein kleines Zigaretterl an". Und zündete sich eins an.

Freuds Zigarren

Man sollte aber auch dazu sagen, unter welchen Umständen manche dieser Leute alt geworden sind. Der Zigarren- und Pfeifenraucher Sigmund Freud hatte bereits mit Mitte 30 Herzstörungen, die er selbst auf das Rauchen zurückführte. Als er 67 war, wurde in seiner Mundhöhle eine bösartige Geschwulst entdeckt. Diagnose: Kieferkrebs. Der "Vater der Psychoanalyse" musste 33 Operationen über sich ergehen lassen, rauchte dabei aber unvermindert weiter. Zuletzt konnte er nur noch unter großen Anstrengungen essen, trinken und sprechen. Er starb 1939 in London, nachdem er seinen Hausarzt wegen der unerträglichen Leiden um eine Morphium-Spritze gebeten hatte.Es gibt kaum ein Foto, das Englands Premier Winston Churchill ohne seine geliebte Zigarre zeigt. Er erlitt – wohl auch durch Übergewicht, "No sports" und unmäßigen Whiskykonsum – mit 67 Jahren seine erste Herzattacke und später mehrere Schlaganfälle. Dennoch paffte er munter weiter und machte sich über seine Nikotinsucht auch noch lustig: "Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass Rauchen ungesund sei. Ich habe es aufgegeben. Das Lesen."

Churchill im Alter

Nach seinem Rückzug aus der Politik im Jahr 1955 dämmerte Churchill, laut Aussage seines Hausarztes Dr. Moran seinem Tod entgegen. "Ich bin ein Wrack, das nur noch atmet und ausscheidet", beschrieb Sir Winston seinen Zustand in den letzten Jahren seines Lebens.Helmut Schmidt hatte das Privileg, als einziger Studiogast vor laufenden Kameras qualmen zu dürfen. Er brachte es auf bis zu acht Mentholzigaretten pro Talkshow, in seinem Leben hat er – wie Schmidt-Biografen errechneten – eine Million Zigaretten geraucht.

Dietrich bis Churchill: Als der Tschick schick war
ABD0016_20141129 - ARCHIV - Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) raucht am 16.11.2010 während der 17. Jahrestagung der deutschen Nationalstiftung im Axel Springer Gebäude in Berlin eine Zigarette. Foto: Wolfgang Kumm/dpa (Zu dpa "Schmidt und das ungesunde Politikerleben: 100 Mal bewusstlos gewesen") +++(c) dpa - Bildfunk+++

Raucherbein

Schmidt selbst führte sein Überleben in der Spitzenpolitik auf "einen starken Willen und viele Zigaretten" zurück. Der Altkanzler starb sechs Wochen vor Vollendung seines 97. Lebensjahres an einer Infektion als Folge einer arteriellen Verschlusskrankheit, vulgo Raucherbein.In den Wiener Literatencafés gehörte das Rauchen zum guten Ton. Es war undenkbar, Peter Altenberg oder Alfred Polgar im "Central" zigarettenlos anzutreffen. Auch Arthur Schnitzler griff zur Zigarre, obwohl er als praktizierender Arzt besser als seine Künstlerkollegen wissen musste, was Teerstoffe und Nikotin in Atemwegen und im Kreislaufapparat anrichten können. Stefan Zweig fuhr 1917 extra in die Schweiz, "um endlich wieder eine Havanna zu rauchen", weil es in Österreich kriegsbedingt keine Zigarren gab.

Auch Friedrich Torberg war schwer nikotinabhängig. "Worauf ich als geistig schaffender Mensch nicht verzichten kann, ist das Rauchen", meinte er 1978. "Ich übe seit ungefähr 50 Jahren den Beruf des Schriftstellers aus und habe ihn von Anfang an rauchend ausgeübt. Ich rauche, trinke schwarzen Kaffee, mache zu wenig Bewegung und bin auf diese Weise 70 Jahre alt geworden. Vielleicht wäre ich bei gesünderer Lebensweise heute schon 75 oder 80, aber das lässt sich schwer feststellen."

Tödlicher Ernst

Dem satirischen Text folgte der tödliche Ernst: Torberg starb wenige Monate später an einer Thrombose, die sich als Folge übermäßigen Tabakkonsums eingestellt hatte.Auch Mark Twain scherzte über seine Nikotinsucht: "Es ist ganz leicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich habe es schon 100 Mal geschafft!"Der Westernheld John Wayne rauchte, eigenen Angaben zufolge, täglich drei bis vier Packungen Zigaretten. Er starb mit 72 an Magenkrebs, nachdem ihm bereits 15 Jahre davor der linke Lungenflügel entfernt werden musste (Bei ihm ist allerdings nicht erwiesen, ob sein Tod Folge des Rauchens war: Wayne drehte 1956 nahe des Atomwaffentestgebiets Nevada den Film "Der Eroberer" und könnte – wie andere Crewmitglieder – im Zuge der Dreharbeiten an Krebs erkrankt sein).

Appell auf Video

Sicher Opfer des Rauchens waren hingegen die Hollywoodlegenden Paul Newman (83) und Walt Disney (65), die beide Lungenkrebs hatten. Ebenso wie Yul Brynner, der kurz bevor er 1985 starb ein Video aufnahm, das erst nach seinem Tod ausgestrahlt wurde: "Jetzt da ich gegangen bin, sage ich Ihnen: Rauchen Sie nicht!" Außerdem hatte er die Yul Brynner Foundation zur Bekämpfung des Rauchens gegründet.Amerika, das Land, das den Tschick schick machte, hat dazugelernt. Mittlerweile herrscht in fast allen US-Bundesstaaten ein strenges Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen, in Restaurants und Bars.

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