Alanis Morissette: Betrogen, traumatisiert – aber noch hier

Alanis Morissette: Betrogen, traumatisiert – aber noch hier
Die "You Oughta Know"-Sängerin veröffentlicht mit "Such Pretty Forks In The Road" ihr erstes Album seit 2012

„Ich habe drei Kinder geboren. Also war meine Zeit seit dem letzten Album damit gefüllt, ihnen nachzulaufen, sie zu versorgen und mit postnatalen Depressionen zurechtzukommen.“

Alanis Morissette, 46, sagt das scherzend und lachend, wenn man sie fragt, was sie in der Zeit seit Veröffentlichung ihres vorigen Albums „Havoc And Bright Lights“ gemacht hat. Dass diese Zeit aber sehr schwierig für die in Kanada geborene und jetzt bei San Francisco lebende Sängerin war, verrät die Stimmung des neuen Albums „Such Pretty Forks In The Road“.

Alanis Morissette: Betrogen, traumatisiert – aber noch hier

Morissette nennt das heute, Freitag, erscheinende Comeback-Werk ihr Piano-Album, weil sie alle Songs am Klavier geschrieben hat.

Fertig ausgeführt sind manche reduziert geblieben, manche wie etwa „Nemesis“ oder „Reckoning“ zu monumentalen Hymnen angewachsen. Allen gemeinsam ist aber eine tiefe Melancholie. „Viele der Songs sind in der Phase der Depressionen entstanden“, erklärt die Sängerin, die 1995 mit dem 33 Millionen Mal verkauften Album „Jagged Little Pill“ und dem Hit „You Oughta Know“ weltberühmt wurde. „Ich hatte mit psychischen Problemen zu kämpfen und musste erst lernen, wie ich mich auf Leute stützen kann, die für mich da sind. Und ich habe es gekonnt – das erste Mal in meinem Leben.“

Jetzt ist Morissette mit dem Rapper Mario „Souleye“ Treadway verheiratet. Aber bis sie ihn kennenlernte, war ihr Weg gepflastert mit Beziehungen mit Männern, die sie benützt und betrogen haben – sowohl finanziell als auch sexuell.

„Das ist das Traurige in meinem Leben“, erzählte sie der britischen Tageszeitung The Guardian. „Themen von Schmerz, gebrochenem Vertrauen, Mangel an Integrität, Frauenverachtung und soziopathischem und narzisstischem Verhalten ziehen sich durch mein ganzes Leben. Das hat schon in meiner Kindheit begonnen, als ich Essstörungen hatte. Und bis heute laboriere ich an diversen Traumata. Wenn ich nicht während meines ganzen Lebens ein tolles Team an Therapeuten gehabt hätte, wäre ich nicht mehr hier.“

Deshalb schrieb und schrie sie sich schon bei „You Oughta Know“ die Frustration über einen untreuen Ex aus dem Leib. Damals wurde sie mit dem expliziten Text schnell als die unangepasste, wütende Emanze abgestempelt. Das – und der darauf folgende plötzliche Ruhm – machten die damals 21-Jährige einsam und nur noch unsicherer. „Sagen wir, so erfolgreich zu sein, war nicht ganz, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, ich kann dann mit Idolen wie Björk oder Tori Amos zusammenarbeiten. Ich habe mich an viele Leute gewandt. Aber oft hörte ich nur: ‚Warum rufst du an?‘“

Extrem isoliert fühlte sie sich in dieser Zeit, konnte nicht einmal das Hotelzimmer verlassen: „Ich hatte immer die Vorhänge zu. Und wenn ich vorbeiging und sie bewegten sich dabei, begannen die Fans unten zu kreischen, weil sie Bewegung sahen. Und gleichzeitig sollte ich nicht die Früchte ernten. Man versuchte, mich klein zu halten. Als ich einen Manager nach Geld fragte, sagte er ‚Ah, so eine Künstlerin bist du also!‘“

Erst kürzlich wurde Morissette wieder betrogen. 2017 wurde ihr Manager zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er ihr sieben Millionen Dollar gestohlen hatte. Auch davon singt sie auf „Such Pretty Forks In The Road“ (Deutsch: „So hübsche Weggabelungen auf der Straße“). Der Titel kommt von den vielen lebensverändernden Entscheidungen, die sie in den letzten Jahren getroffen hat.

„Die Phrase soll auch klar machen, wie viele Möglichkeiten es gibt, sich zu entscheiden“, sagt sie. „Für mich waren das Dinge wie: Soll ich auf Tour gehen oder eine Platte aufnehmen? Soll ich heiraten? Soll ich mehr Kinder haben? Mit diesem Album habe ich ihnen ein Denkmal gesetzt. Und natürlich mache ich mich mit dem Wort ‚hübsch‘ auch ein bisschen lustig darüber. Denn so schön es ist, sich entscheiden zu können, gewisse Entscheidungen zu treffen, kann auch beängstigend sein.“

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