Im Oktober 2019 erklärte Rektor Johan Frederik Hartle in seiner Antrittspressekonferenz, dass man das Gebäude erst zu Jahresende übernehmen könne. Aber auch das kann sich der Reporter nicht ganz vorstellen – nach einem Rundgang durch die Baustelle. Das unterirdisch im rechten Hof errichtete Depot für das Kupferstichkabinett samt Studiensaal ist zwar bereits in Beton gegossen; der berühmte Anatomiesaal aber, in dem ein einziger Professor Leichen seziert hat, sieht aus, als hätte die Bombe eingeschlagen. Und auch die Restaurierungsarbeiten in der prächtigen Bibliothek dürften sich noch einige Zeit hinziehen.
Die Akademie war seit 1786 sehr beengt im ehemaligen St.-Anna-Kloster untergebracht gewesen. Als wichtigste Kunsthochschule der Monarchie sollte sie nach der Entscheidung, das Glacis zu bebauen, einen Monumentalbau erhalten. Im Herbst 1869 wurde Theophil Hansen, der eine der beiden „Specialschulen“ für Architektur an der Akademie leitete, mit Entwürfen beauftragt. Und ein halbes Jahr später, im März 1870, überließ Kaiser Franz Joseph der Hochschule den Bauplatz auf dem damaligen Kalkmarkt. Hansens Pläne im Stil der „griechischen Renaissance“ waren hochfliegend – und zu teuer. Es folgte ein zweiter Entwurf und schließlich ein dritter, im November 1871 genehmigt.
Umgesetzt wurde ab 1872 aber der vierte Entwurf, mit dem Hansen doch noch das ursprüngliche Konzept realisieren konnte: einen eigenen Museumstrakt in der Hauptachse des Baus. Bis zu Beginn der Sanierungsarbeiten im Jahr 2017 wurde dieser als Aula und für Veranstaltungen genutzt. Eigentlich war er aber der Präsentationsort der Glyptothek, der Sammlung von Gipsabgüssen klassischer Skulpturen, die gegenwärtig in Semperdepot endgelagert sind. Theophil Hansen ersann daher einen wohlproportionierten Tempel der Kunst: Wie im Vestibül (Foyer) verwendete er dorische Säulen, die umlaufend einen Abguss des Parthenonfrieses tragen.
Das Museum sollte ein Gesamtkunstwerk sein – samt Deckengemälden. Bei der Eröffnung am 3. April 1877 in Anwesenheit des Kaisers waren diese aber noch nicht fertiggestellt. Beauftragt hatte man Anselm Feuerbach, Professor seit 1873. Er lieferte sich einen Streit mit Hansen, weil er sich nicht dessen Vorstellungen unterwerfen und nur ein einziges, 200 Quadratmeter großes Monumentalgemälde schaffen wollte. Der Kompromiss sah schließlich ein ovales Bild vor (mit dem „Titanensturz“ als Thema). Und nur dieses konnte Feuerbach fertigstellen. Denn er starb 1880 unvermutet. Die Rahmungsbilder wurden von Feuerbachs Mitarbeiter Heinrich Tentschert (mit dem man nicht zufrieden war) beziehungsweise Christian Griepenkerl vollendet.
In der letzten Woche stand in der Aula noch das Gerüst. So führte der Rektor den Reporter hinauf zur Decke mit den Gemälden und Hansens Medusenhäuptern. Doch ganz ehrlich: So nah am Objekt kann man nicht sehr viel erkennen ...
Info: Wiedereröffnungen
Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien im Palais Lobkowitz/Theatermuseum wird erst ab 1. Juli wieder geöffnet sein, der Ausstellungsraum xhibit der Akademie in der Eschenbachgasse schon ab 2. Juni
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