Afghanistans Museen und Kulturstätten zittern um Schätze

Afghanistans Museen und Kulturstätten zittern um Schätze
Taliban hatten zuletzt in Aussicht gestellt, Kulturstätten zu schonen - Angst vor Plünderung und Zerstörung geht aber um

"Derzeit sind die Mitarbeiter und Artefakte sicher, aber die fortwährende chaotische Situation ist der Grund für enorme Besorgnis, was die Museumsbestände und Museumsmitarbeiter betrifft".

Diesen Hilferuf setzte Afghanische Nationalmuseum in Kabul am Sonntagabend via Facebook ab - er wurde von vielen Institutionen der Kulturwelt geteilt. Die Besorgnis über die Zukunft der Kulturschätze des an Kultur so reichen Landes hatte sich aber schon in den Tagen davor formiert. Wie ein Kurator mit besten Kontakten ins Land dem Fachmagazin The Art Newspaper erzählte, seien aber schon, während sich der Taliban-Vormarsch abzeichnete, Museumsobjekte von Mitarbeitern verpackt und an sichere Orte abtransportiert worden: "Es wäre nicht gescheit, mehr dazu zu sagen", so der Kurator, der anonym bleiben wollte. Eine andere, ebenfalls anonyme Quelle gab gegenüber der Presse (Mittwochsausgabe) im Widerspruch dazu an, dass nicht mehr genug Zeit zum Abtransport  der Objekte geblieben sei.

Aud der internationale Museumsverband ICOM wies am Dienstag nachdrücklich auf die Gefährdung von Kulturgütern in der aktuellen Lage in Afghanistan hin. Auf Twitter veröffentlichte der Verband Beispiele für jene Objektkategorien, die - auch aufgrund der Kleinheit der Objekte - besonders von Diebstahl betroffen wären: Dazu zählen neben antiken Vasen die berühmten "baktrischen Prinzessinnen", Figuren, die aus behauenen, lose aufeinandergeschichteten Steinen bestehen und sich seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. erhalten haben. Auch Reliquiengefäße seien mögliches Diebsgut.

Die Gefahr von Plünderungen im allgemeinen Chaos ist evident - noch drängender ist aber die Frage, ob die Taliban als neue Machthaber ihren radikal kulturfeindlichen Kurs in einer Weise fortsetzen werden, der die unschätzbar wertvollen Zeugnisse zahlreicher Kulturen und Religionen im Land in Gefahr bringt. Die Sprengung der Buddha-Statuen in Bamiyan war ein solcher Vandalenakt, der 2001 weltweit für Empörung gesorgt hatte und sich unauslöschlich ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben hat.

In einem Statement vom vergangenen Februar hatten die Taliban ihre Anhänger dazu aufgerufen, Kulturstätten zu bewahren, und den Handel oder den Abtransport von Kulturgütern unter Strafe gestellt. Inwiefern dieser Zugang ernst gemeint ist und tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird, wird freilich von vielen Experten bezweifelt. "Sie haben ihr Image reingewaschen, aber sie sind noch immer eine radikale Gruppierung", meinte etwa Omar Sharifi, Professor an der American University of Afghanistan, zum Magazin National Geographic. Der Wissenschafter ist selbst nach Delhi geflüchtet - und kann nur hoffen.

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