Allen voran liegt das an dieser makellosen Powerstimme, mit der die 34-Jährige Songs wie „I Drink Wine“ von ihrem jüngsten Album „30“ und „Rumour Has It“ in den Hyde Park schmettert. Adele transportiert aber bei aller Perfektion immer auch seelenvoll und leidenschaftlich die Botschaft ihrer meist von ihren zerbrochenen Beziehungen handelnden Lieder – und das bis hinauf zum Marble Arch, bis zum letzten der 65.000 Zuschauer.
Es ist aber auch die einmalige Art, wie Adele die Brücke zwischen dem Londoner Arbeiter-Vorort Tottenham, aus dem sie kommt, und Hollywood-Glamour baut, wie geschickt sie mit ihrer unprätentiösen Art Pub-Atmosphäre und Gala-Event, leger und formell verbindet.
Gleich gesteht sie, dass sie so nervös ist, „dass ich mir fast in die Hosen mache“. Sie spricht viel mit den Fans, begrüßt die, die sie kennt, weil sie zu jeder ihrer Shows kommen, und beglückwünscht ein Pärchen, das heute hier den 27. Hochzeitstag feiert. Später schießt sie T-Shirts mit einer persönlichen Widmung in die Menge.
Mit viel Humor geht Adele auf ihr Image ein, macht sich darüber lustig, dass sie – „wie alle wissen“ – nicht viele flottere Songs hat. Zwischendurch lüftet sie das bodenlange Glitzerkleid, um die dicken Wollsocken zu zeigen, die sie anstatt High Heels trägt, weil es relativ kühl ist und Regen angesagt war.
Gleich zwei Mal entschuldigt sie sich dafür, dass sie zu Beginn des Jahres nur 24 Stunden bevor sie auf die Bühnen hätte gehen sollen, ihre Serie von Auftritten in einem Resort von Las Vegas abgesagt hat.
Die Show sei wegen Lieferausfällen und Krankheit der Beteiligten aufgrund der Pandemie nicht fertig geworden, sagte sie damals: „Mein Publikum hätte mich durchschaut und sofort gemerkt, dass ich das so nicht machen will.“
Inoffiziell hieß es, Adele hatte Differenzen mit der Showdesignerin. Was zu verstehen ist, wenn man die überbordenden Las-Vegas-Events mit extravaganten Kostümen und theatralischem Schnickschnack kennt, und hier im Hyde Park sieht, dass sie das absolut nicht braucht.
Ihre bodenständige Art, ihre Stimme und Welthits wie „Easy On Me“ und der James-Bond-Song „Skyfall“ reichen ihr, um auch so ein riesiges Publikum fast zwei Stunden in Bann zu halten. Auch, weil die Songs abseits ihrer Balladen-Mega-Hits variantenreich er sind, als man glaubt, hier soulige Einflüsse und dort Rock- und Blues-Feeling haben.
Nur wenige elegante visuelle Akzente begleiten einzelne Songs, zum Beispiel „Set Fire To The Rain“, wo die mächtigen LED-Wände hinter der Bühne monsunartigen Regen zeigen und davor Flammenwerfer Fontänen in die Höhe schießen.
Höhepunkt ist der Akustikteil, bei dem Adele alleine mit ihrem Pianisten ihren Hit „Someone Like You“ singt, bevor es mit „Rolling In The Deep“ ins Finale geht.
Zum Schluss wird noch einmal sichtbar, was Adele von anderen Sängerinnen mit Powerstimme abhebt: Als sie sich zum Gehen umdreht, wirbelt das Glitzerkleid um die Beine mit den Wollsocken, während auf ihrer Schulter das Vogel-Tattoo aufblitzt.
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