Abstand von der Welt (aber was ist die Welt?)
Der Niederländer Cees Nooteboom ("Rituale", "Die folgende Geschichte") hat noch immer nicht den Nobelpreis bekommen.
Kommende Woche vielleicht?
83 ist er wie Vargas Llosa, und wenn er auch seit elf Jahren (seit "Paradies verloren") keinen Roman mehr geschrieben hat, so bekommt man von ihm immer wieder einmal z. B. einen Brief an den wütenden Poseidon geschenkt oder eine Beobachtung im Museo del Prado, und damit kann man sich dann im Kopf spielen.
(In bleibender Erinnerung ist das KURIER-Interview, in dem Nooteboom den Satz losließ: "Hotelzimmer sind die Mönchszellen aller Reisender."
Ein Gedanke – und schon entsteht eine Geschichte.)
Mit "533 Tage" ist man wochenlang beschäftigt: Das sind Berichte von der Insel Menorca, wo er seit Jahrzehnten ein Häuschen mit Garten hat ... und sich ärgert, dass die Einheimischen "fretzes" nicht mehr kochen – Lamminnereien, in dunklem Bier mariniert.
Feind der Pinien
Nooteboom wollte die Welt etwas auf Distanz halten und nicht politisieren. (Funktioniert aber eh nicht.)
Wer ist denn überhaupt DIE WELT? Ist sie nicht ohnehin hier:
Seinen Ohrwaschlkaktus will er bewundern. Die Sukkulenten mit den "wollüstig" schwarzglänzenden Blättern. Eine herrliche Motte will er beobachten, die seine Frau Simone Sassen sogleich fotografiert hat.
Nachher stellte sich heraus: Die "Oruga barrenadora de las palmeras" bringt die Pinien um. Hinweg mit dem Scheusal!
Man ist gewissermaßen live dabei, wenn ein weiser Mann merkt, dass er zwar aus dem Stand über die ungarische Literatur referieren kann, aber über die Natur nicht so viel weiß, wie er es gern würde.
In "533 Tage" bekommt man eine Mischung aus "Sachen", die ihn interessieren – wie zum Beispiel: Wiedehopf, Brennnessel, Schildkröten, Geckos, Kakteen und eine Haydn-Sonate (wie bitte?), der Schreibtischsessel von Max Frisch, der Sturm am Ende der Milchstraße, Montaigne, Blunzn, Oleanderblüten ...
So verändert er sich; und so kann er Leser verändern.
Cees Nooteboom:
„533 Tage“
Übersetzt von Helga van Beuningen.
Suhrkamp Verlag. 200 Seiten. 22,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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