18 Millionen Euro (laut Schätzung der renommierten Tageszeitung Times) und fast sechs Jahre Produktionszeit hat die Show gekostet. Aber der enorme Aufwand macht sich bezahlt. Als sich die Avatare zum Song „The Visitors“ zum ersten Mal aus aus dem Bühnenboden heben, zu tanzen beginnen und Licht langsam die Figuren erhellt, bleibt jedem der 3000 Fans in der eigens dafür gebauten Arena im Osten von London der Mund offen stehen. Täuschend echt sehen sie aus - Ulvaeus links mit seiner Gitarre, dazwischen die Sängerinnen und rechts Andersson am Piano.
Auch der zweite Song ist mit „Hole In Your Soul“ eher ein Schmankerl für Fans als ein Superhit. Aber gleich danach zünden die „Abbatare“ und ihre Band das erwartete Hitfeuerwerk: „Chiquitita“, „Fernando“, „Knowing Me, Knowing You“. Man fühlt sich wie bei einem Konzert in einer riesigen Halle: In der Mitte sieht man die Musiker auf der Bühne nur sehr klein, weil sie weit weg sind, rechts und links davon werden auf LED-Wänden Großaufnahmen vom Geschehen auf der Bühne gezeigt.
Erzeugt wird diese perfekte Illusion von einem Videoschirm mit 65 Millionen Pixel und der Expertise der Firma „Industrial Light & Magic“ von Star-Wars-Erfinder George Lucas. Wochenlang haben sich die echten Abba dafür in „Motion Capture“-Anzügen vor 160 Kameras zu den Songs der Show bewegt. Jedes Detail musste aus jedem Winkel eingefangen werden. Zusätzlich analysierten, scannten und verarbeiteten die rund 1000 Mitarbeiter, die an „Abba Voyage“ arbeiteten, alte Filmaufnahmen und sogar das Fotoarchiv von Abba in ihren Computern. Auch Aufnahmen von jüngeren Tänzern wurden eingebunden, weil die echten Abba weit in ihren 70ern sind und sich nicht mehr so bewegen können, wie damals.
Das Ergebnis: Nur in wenigen Momenten bei den Großaufnahmen fällt auf, dass die Abbatare nicht aus Fleisch und Blut sind. Dann sieht man es in den Gesichtern, mal an den Augen, mal an der viel zu glatten Haut. Trotzdem ist die Show hervorragend, wenn sie in diesem „Große-Halle“-Modus läuft. Das tut sie zu 70 Prozent. Auch dann, wenn jeder der Abbatare einmal allein für eine meist humorige Moderation ins Rampenlicht darf. Andersson postuliert dabei, dass er der reale Benny ist, kein Image, sondern einfach für sein Alter noch gut aussieht. Und Ulvaeus beschwert sich vor „Waterloo“, dass Abba 1974 bei ihrem Song-Contest-Sieg mit diesem Song null Punkte von Großbritannien bekamen.
In der Mitte der Show greifen die Produzenten auch auf Einspielungen von Videos aus den alten Zeiten zurück. Und zwei Mal sind Zeichentrickfilme die optische Untermalung der Songs. Aber selbst dann ist da immer noch die Musik die fasziniert: Hits wie „Mamma Mia“, „Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight)“ oder auch „Don’t Shut Me Down“ und „I Still Have Faith In You“ vom „Voyage“-Comeback-Album von Herbst 2021. Dann jubeln die Fans anstatt über die faszinierende Show über die faszinierend zeitlose Perfektion von Abbas Pop.
„Thank You For The Music“ und „The Winner Takes It All“ zum Finale sind dann wieder im "Große-Halle"-Modus zu sehen. Und wieder sind die Avatare täuschend echt. So, dass sich jeder fragt, ob es die leibhaftigen Abba sind, oder doch Avatare mit heutigem Aussehen, die zum Schluss auf die Bühne kommen und ins Publikum winken. In der Stadt waren die echten Abba an diesem Tag nach der Premiere jedenfalls noch.
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