Bevor jetzt das große Jammern ausbricht: Ein bisschen okay kann man das schon finden, dass sich Bands auch 10 (Limp Bizkit), 20 (Take That), zum Teil 30 oder 40 Jahre (The Eagles!), nachdem sie einmal auf der Höhe der Zeit waren, noch auf die Bühne stellen.
Davon abgesehen wird's aber spätestens dann mühsam, wenn die Nu-Metaller, Crossover-Spezialisten oder Boyband-Phänomene mit neuem Material aufwarten. Wer 2015 noch zu Metal-Riffs rappt, hat noch immer nicht verstanden, dass nicht alles, was einmal "in" war auch musikalisch wertvoll ist.
Blümchen, Haddaway und Aqua haben das längst begriffen. Eurotrash ist endlich dort angekommen, wo er immer schon hingehört hat: Auf Bad-Taste-Partys. Im Plattenregal finden sich aktuelle Kreationen dieses Genres nicht mehr.
Hätten sich diese acht Kollegen doch nur ein Beispiel genommen - sie veröffentlichen auch 2015 noch Alben, die mittlerweile keiner mehr hören will:
Limp Bizkit - "Stampede of the Disco Elephants": Irgendwann einmal für 2013 angekündigt, sind sich Fred Durst und Konsorten offenbar selbst nicht mehr so ganz sicher, ob sie wirklich ein neues Album veröffentlichen wollen. 2015 soll es aber wirklich so weit sein. Ganz bestimmt.
Papa Roach - "F.E.A.R. (Face Everything And Rise): Mehr "Anfang Nullerjahre" geht nicht. Während Limp Bizkit noch für sich beanspruchen können Wegbereiter eines nun toten Genres zu sein, waren die Kalifornier immer schon einfach nur Nachschwimmer. Sie als Nichtschwimmer zu bezeichnen wäre jetzt aber doch zu fies. Live sind die Nu-Metaller mit ihrem Über(bleibsel)-Hit "Last Resort" verlässliche Stimmungsmacher an verstaubten Nova RockNachmittagen.
50 Cent - "Street King Immortal": Mit einer Überdosis Gepose holte Curtis James Jackson den Gangster-Rap für ein paar Jahre in den Mainstream-HipHop zurück. "Get Rich Or Die Tryin'" lautete damals sein Credo - das war 2003. Seitdem haben kreativere Kräfte im HipHop übernommen. Kanye West weltweit, Drake in den USA. Den "unsterblichen Straßenkönig" würde man vielleicht noch hören wollen, wenn dieser 50 Cent das nicht so ganz ironiebefreit von sich behaupten würde.
Marilyn Manson -"The Pale Emperor": Mangelndes Ironiebewusstsein kann man diesem Herrn nicht vorwerfen. Aber haben Sie Marilyn Manson in den letzten Jahren einmal live erlebt? Der Mann ist alt geworden. Alt und müde... und langweilig. Und das bei einem Musiker, dessen künstlerische Essenz einmal darin bestand genau das nicht zu sein. Aua.
Justin Bieber- Wie das Album heißen wird, weiß er noch nicht. Wie es klingen wird, wohl auch nicht - und das muss er ja auch nicht. Als aktuelle Inkarnation des Retorten-Stars für Frühpubertierende ist dieser Bieber ja nicht mit musikalischen Maßstäben zu bewerten. Insofern passt er auch nicht ganz in diese Liste, zugegeben. Aber, und das ist neu: Sein Album will nicht nur niemand hören, es muss auch niemand mehr hören. Bieber ist sowieso omnipräsent. Sein Instagram-Account ist bessere Werbung als jede Video-Premiere. Oder hätten Sie gedacht, dass sein letztes Album aus dem Jahr 2012 stammt? Nein? Eben, der Bieber war nie wirklich weg. Mit Musik hat das aber nichts zu tun.
Deichkind -"Niveau Weshalb Warum?": Zunächst: Wir mögen Deichkind. Intelligente Texte in einfacher Verpackung, das kann niemand so gut wie die Hamburger. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, ob sich die im Ausflipp-Modus dargebrachten Parolen nicht schön langsam verbraucht haben. Aktuell ist mit Marteria ein ebenso schlauer HipHop angesagt, der dabei aber deutlich entspannter daherkommt.
The Prodigy - "The Day Is My Enemy":"Out of Space" (1992), "Voodoo People" (1994), "Firestarter" und "Breathe (beide 1996), "Smack My Bitch Up" (1997). The Prodigy können noch die nächsten 20 Jahre aufs Nova Rock kommen - mit diesem Live-Set werden sie immer hauptabendtauglich. Neue Musik braucht es schon allein deshalb nicht. Und so rein musikalisch jetzt: Schon "Invaders Must Die" war 2009 eine echte Enttäuschung.
Helene Fischer -"Farbenspiel live": Jetzt bitte nicht falsch verstehen, aber auf diese Art der Integration hätten wir verzichten können. Mit ihrem "Atemlos" hat Helene Fischer die Parallelgesellschaft "Schlager" in die Mehrheitsgesellschaft der Formatradios geholt. Wie sehr trauern wir den Zeiten nach, in denen Schlagersänger nur zum "Musikantenstadl" pilgerten?! Frei nach Loriot müssen wir jetzt feststellen: Ein Leben ohne Schlager wäre sinnvoll, aber auch 2015 unmöglich.
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